Der nach den Sternen griff

Buchtipp aus der ökumenischen Buchhandlung voirol

Für Sie gelesen. Tipp aus der ökumenischen Buchhandlung voirol

Der Philosoph Giordano Bruno war kein Freund von Denkverboten und deshalb ein Albtraum für die Kirche, die den Freidenker 1600 verbrannte. Der Historiker Volker Reinhardt entwirft in seiner neuen Biografie das Porträt eines Unangepassten, der mit Vehemenz für Toleranz eintrat.

Acht Jahre verbrachte Giordano Bruno in den Kerkern der Inquisition, bevor er am 17. Februar 1600 in Rom öffentlich verbrannt wurde. Immer neue Verhöre sollten zutage bringen, wie ge- fährlich dieser Mann war, der jegliche Gesinnungskontrolle ablehnte. Der Philosoph ging nicht nur davon aus, dass sich die Erde um die Sonne dreht, er erkannte auch, dass jeder Fixstern am Himmel eine Sonne wie die unsere ist.

Der Mann aus Nola bei Neapel betrachtete das Universum als unendlich und war davon überzeugt, dass es unendlich viele Lebewesen auf anderen Planeten gibt. Sein revolutionäres Konzept zwang dazu, Gott, Zeit und Mensch völlig neu zu denken.

Volker Reinhardt zeichnet in seiner spannenden Biografie den Weg Brunos präzise nach: vom Eintritt in den Mönchsorden, der Flucht aus dem Kloster und der jahrelangen Wanderschaft durch ein zerrissenes Europa, die ihn von Genf über Paris und Oxford nach Wittenberg und Prag führte, bevor er einer Einladung nach Venedig folgte. Hier geriet er ins Visier der Inquisition. Sein Fall wurde zum Politikum, Bruno zum Spielball der Mächtigen zwischen Venedig und Rom, wohin er schliesslich überstellt wurde. Volker Reinhardt hat erstmals neu aufgefundene Dokumente zu den Hintergründen des Verfahrens ausgewertet. Die Kapitel zu den Verhören lesen sich wie ein Krimi.

Seinen Mut hat der von der Haft gezeichnete Giordano Bruno bis zuletzt nicht verloren. Als das Todesurteil gegen ihn verkündet wurde, schleuderte er seinen Richtern den berühmt gewordenen Satz entgegen: «Ihr verhängt das Urteil vielleicht mit grösserer Furcht, als ich es annehme!» Von dem ihm entgegengestreckten Kruzifix wandte er sich verächtlich ab.

Die Nachwelt hat dem faszinierenden Unangepassten ein Denkmal gesetzt. Auf dem Campo dei Fiori steht seit 1889 seine Bronzestatue. Volker Reinhardt zeigt einen streitbaren, furchtlosen Mann, der keinerlei Tabus akzeptierte und mit schonungsloser Vehemenz für uneingeschränkte Gewissens-, Denk- und Schreibfreiheit stritt.

Karin Schatzmann

Volker Reinhardt
Der nach den Sternen griff

Giordano Bruno. Ein ketzerisches Leben C.H. Beck 2024, 351 Seiten, Fr. 40.50

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