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Erholung

Kolumne aus der Inselspitalseelsorge

«Ob ich bei Frau K. noch vorbeigehen könnte», fragt mich die Pflegefachperson, «es habe drum nicht mehr für den Hund gereicht». «Wie meinst du das?», frage ich zurück und sie erklärt, dass auf der Palliativstation wöchentlich einmal der Therapiehund vorbeikomme.

Patient:innen können vorgängig den Wunsch äussern, von diesem besucht zu werden. In der Regel seien es viele Anfragen von Menschen, die sich freuen würden über einen Kontakt mit der grossen Bernhardinerhündin, diese könne jedoch pro Nachmittag nur in zwei, höchstens drei Situationen integriert werden, danach sei sie müde und brauche Erholung.

Zweite Wahl ist in diesem Fall die Seelsorge und mein Angebot, so sinniere ich, unterscheidet sich nicht wesentlich vom Angebot einer Therapiehündin. Mit aufmerksamer Präsenz nehme ich die Stimmungen war, welche im Krankenzimmer spürbar werden, nehme Trauer, Wut, Verzweiflung, Müdigkeit oder Schmerzen entgegen. Ich stelle mich als Resonanzraum zur Verfügung und versuche (im Gegensatz zur Hündin) in wohl dosiertem Masse, hin und wieder etwas in Worte zu fassen. Viele meiner Besuche bei schwerkranken Menschen bestehen zu einem grossen Teil aus Schweigen und Dasein, eine besondere Form des Mitgefühls und der Anteilnahme.

Manchmal bietet sich ein Gebet an, das in mir auftaucht, ein einfacher Segen, einige Liedzeilen, ein Vater Unser. Innere Prozesse sind nicht oberflächlich sichtbar, sie bewegen sich in den Tiefen der menschlichen Seele und äussern sich zuweilen durch eine veränderte Atmung, ein Seufzen, eine Träne welche Frau K. in diesem Moment über die Wange rollt. Ich streiche ihr zum Abschied über den abgemagerten Arm und verlasse das Zimmer.

Wenn ich zu wenig schlafe, werde ich weinerlich. Die Erschöpfung holt mich oft mit zwei, drei Tagen Verzögerung ein und es dauert in der Regel einige Zeit, bis ich mir eingestehen kann, dass ich eine Pause brauche.

Das Telefon klingelt, meine Agenda füllt sich im Verlauf des Tages mit Besuchswünschen. Nach drei Besuchen aufzuhören, ist unrealistisch und dem Spitalalltag in keiner Weise angemessen, doch öfter kommt mir jetzt die Therapiehündin in den Sinn und auch die Pflegefachfrau, für die es ganz selbstverständlich ist: Nach zwei, höchstens drei Besuchen ist Schluss. Auch ein Hund muss sich erholen dürfen.

Simone Bühler, ref. Pfarrerin und Seelsorgerin

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