Franz, Math und Selbstvertrauen lernen

Die Non-Profit-Organisation "Learn4Life" bietet Familien eine erschwingliche Lernhilfe

Die Lernhilfe-Organisation "Learn4Life" und die katholische Kirche haben dasselbe ­Anliegen: Sie möchten, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben. Deshalb unterstützt die Kirche die Non-Profit-Organisation in ­Köniz mit gezielten Beiträgen.

Normalerweise wimmelt es an der Schwarzenburgstrasse 260 in Köniz von Leben. Ausserhalb der Schulferien gehen hier wöchentlich rund 320 Kinder ein und aus. Ihnen ist gemeinsam, dass sie Defizite in einem oder mehreren Schulfächern haben, die sie aufarbeiten wollen. Learn4Life unterstützt sie dabei, wie Geschäftsleiter Stefan Stuck erklärt: "Unser Ziel ist es, zur Chancengleichheit der Kinder beizutragen."

Jetzt, während der Ferien, ist Stuck jedoch der einzige, der in den Räumen von Learn4Life arbeitet. Und das tut er mit Herzblut. "Hier kann ich Entscheidungen zugunsten von Menschen treffen", sagt der 36-Jährige. Längst nicht immer ist der Grund für die Lücken, dass die Kinder den Stoff nicht verstehen. Häufiger fehlt es an Motivation und Selbstvertrauen, oder falsche Lernmethoden stehen dem Erfolg im Weg. Oft braucht es wenig, damit die Kinder aus ersten Erfolgen Mut schöpfen.

Selbstständigkeit lernen

Etwa zwei von drei Kindern bei Learn4Life sind ausländischer Herkunft. Sie tun sich schwer mit der Sprache oder erhalten wenig Unterstützung von ihren Eltern. Diesen sind Sprache und Gepflogenheiten in der Schweiz fremd, oder sie haben selber kaum eine Bildung genossen. Aber auch Kinder ohne Migrationshintergrund geraten in schulische Schwierigkeiten und sind froh um die Unterstützung durch Learn4Life.

Die dreiköpfigen Lerngruppen sind bewusst uneinheitlich zusammengesetzt. Mädchen und Buben, Ältere und Jüngere arbeiten an unterschiedlichen Themen. "Weil sich die Lehrperson nicht die ganze Zeit um ein Kind kümmern kann, lernt dieses selbstständiges Denken und Arbeiten", sagt Stefan Stuck. Weil ein rauchendes Hirn nicht aufnahmefähig ist, gibt es regelmässige Pausen mit Guetzli, Sirup und Töggelikasten.

Über 40 Lehrpersonen arbeiten bei Learn4Life mit. Die meisten von ihnen sind Studierende, die ihr Budget aufbessern und gleichzeitig Lehrerfahrung sammeln. Sie werden nach einem ungewöhnlichen Verfahren ausgewählt: Nach einem Vorstellungsgespräch und einem schriftlichen Test absolvieren sie mehrere Probelektionen und werden dabei von der strengsten Jury beurteilt: von den Kindern selbst.

Katholische Unterstützung

Angefangen hat Learn4Life vor 17 Jahren als Angebot des Cevi Köniz. Immer wieder kamen Kinder zu den Leiter*innen mit der Bitte, ihnen bei den Schulaufgaben zu helfen. Zwei Studenten gründeten darum die Cevi-Lernhilfe. Am Samstagvormittag wurde gelernt, am Nachmittag standen Spiel und Spass im Cevi auf dem Stundenplan. Die Nachfrage wuchs schnell. Seit zehn Jahren heisst die Organisation "Learn4Life". Heute ist die Non-Profit-Organisation religiös neutral. "Unsere Werte sind aber nach wie vor christlich geprägt", betont Stuck.

Geblieben ist der Grundsatz, dass die Lernhilfe für alle Familien erschwinglich sein soll. Bescheidene 350 Franken kosten 20 Lektionen; gewinn-orientierte Anbieter verrechnen schnell einmal das Dreifache. Damit die Lernhilfe für niemanden am Geld scheitert, übernimmt in Köniz bei Sozialhilfe-Beziehenden der Sozialdienst einen grossen Teil der Kosten. Immer wieder greift die katholische Kirche der Organisation unter die Arme. In den ersten Jahren stellte sie Räume zur Verfügung, heute unterstützt sie Familien, um deren Kindern die Lernhilfe zu ermöglichen.

Auch wenn die Lehrpersonen einen bescheidenen Lohn erhalten und kein Gewinn erwirtschaftet wird, kalkuliert Learn4Life knapp. Stuck selber, immerhin Jurist und ausgebildeter Berufspädagoge, ist allein in der Geschäftsleitung. "An einem anderen Ort würde ich das Doppelte verdienen", sagt er. "Weil ich aber von der Tätigkeit überzeugt bin, spielt das Gehalt eine Nebenrolle." Auch sonst wird jeder Rappen umgedreht. Seinen Schreibtisch hat Stuck selber gezimmert, die Tische der Kinder wurden gebraucht von einer anderen Schule übernommen.

Lernhilfe via Internet

Mit der Corona-Pandemie sahen sich die öffentlichen Schulen gezwungen, über Nacht ein E-Learning-System aufzubauen. Doch gerade Kinder aus ohnehin benachteiligten Kreisen blieben auf der Strecke. Oft fehlte zu Hause ein brauchbarer Computer oder ein Internetanschluss.

Learn4Life ging einen anderen Weg. Bei der E-Lernhilfe ist die gesamte Ausrüstung inklusive: ein iPad samt Tastatur und Eingabestift wird leihweise abgegeben, auch ein Internetabo ist dabei. Möglich machten dies einerseits das Entgegenkommen der Unternehmen, andererseits ein Beitrag von gut 15'000 Franken aus dem Fonds für diakonische und pastorale Projekte der Katholischen Kirche Region Bern; sie hat die Kosten für das Zubehör der iPads übernommen.

E-Lernhilfe hat die Reichweite von Learn4Life erweitert. Es spielt nun keine Rolle mehr, von wo aus ein Kind an den Lektionen teilnimmt. Dennoch denkt Stefan Stuck über neue Standorte im Raum Bern nach. "Das würde noch mehr Kindern helfen, die Tür zu ihrer Zukunft aufzustossen."

Thomas Uhland

www.l4l.ch

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