„Ola, Olé, solidarité / avec les sanspapiers!“
Vorgestern ist Jesus in die Stadt Biel/Bienne eingezogen. Nicht auf einem Esel. Aber er war dabei. Man konnte ihn sehen auf der Demo der geflüchteten Kinder und ihrer Väter und Mütter und der jungen Männer aus dem Camp Bözingen und von Menschen aus der Stadt oder von woanders.
Vorgestern ist Jesus in Biel eingezogen, als sich die Menschen Richtung Bahnhof in Bewegung setzten und laut gerufen wurde. Mit vielen Wiederholungen. Ganz unterschiedliche Parolen.
Wir haben heute in der Feier zu Palmsonntag ein wenig nachgespielt, wie das damals war, als Jesus vor 2000 Jahren in Jerusalem eingezogen ist. Wir haben gerufen und gesungen immer wieder dieselbe Parole.
So wie es damals vielleicht war. Als ob sie das Recht herbeirufen wollten. Endlich ohne Hunger zu sein; endlich frei und glücklich zu leben.
Die Bibel zu lesen, bedeutet sie verstehen zu wollen. Und dann zu fragen: Wo, wie wäre es heute? Wer wäre es heute? Um was geht es hier und jetzt?
„Hosanna! Hosanna!“ „Gesegnet der König, der Frieden bringt!“ Immer wieder, immer lauter. „Hosanna“ heißt so viel wie „Hilf doch!“ „Rette doch!“ Immer wieder, immer lauter.
Vorgestern ist Jesus in Biel eingezogen.
Menschen aus dem Camp treten an das Mikrofon, selbst ein kleines Mädchen, das weint, weil es aus Biel mit ihrer Familie weggeschoben werden soll – wahrscheinlich morgen. Es erzählt von der Schule und den Freundinnen.
Ein junger Mann ist wütend: „Ich bekomme 50 Franken in der Woche für alles. Könnt ihr für alles, was euer Leben ausmacht, mit 50 Franken in der Woche leben? Das geht nicht. Ihr könnt eure 50 Franken behalten. Lasst mich dafür arbeiten.“ „Wie die Ukrainer arbeiten dürfen. Wir sind schon 6, 8, 10 Jahre lang hier – immer im Camp.“
So ist das auch umgekehrt: Lesen und verstehen tun wir die Bibel nur, wenn wir dies durch die Brille der Wirklichkeit der Menschen von heute, wie sie ist, lesen. Nicht durch die eines politischen Lakaien in Bern. So höre ich die Parolen in Biel, wie sie wiederholt und wiederholt werden, immer lauter werden, immer neu einsetzen, wie kleine Teigtaschen geteilt werden und sogar ein wenig getanzt wird zur Musik – trotz des starken und kalten Regens.
Und ich sehe die Menschen von damals, wie sie rufen, weil sie endlich leben wollten, wollten, dass es gerecht zugeht, dass alle zum Essen bekommen. Wie sagt Jesus am Ende des gehörten Evangeliums: „Wenn sie nicht schreien, werden die Steine schreien!“
„Ola, olé solidarité avec les sans-papiers!“ – „Hosanna in der Höhe!“
Vorgestern ist Jesus in Biel eingezogen. Wie wird sein Weg weitergehen? Wo werden wir ihn morgen finden? Wer erkennt ihn?
Werden wir ein Stück mitgehen? Immer ist er irgendwo unter den Menschen. Wird erkannt. Heilt die Wunden. Spricht von der Liebe und dem Recht auf gutes Leben. Ist laut und wütend. Wird gekreuzigt. Und steht wieder auf unter uns.
Wie sagt es Jacqueline Keune im Fastenkalender zu Palmsonntag stark und treffend: „Einer, der zur Energie wird, … die von Angst verklebte Lungen sich freijubeln lässt.“
Peter Bernd