An Pfingsten erschienen in der «NZZ am Sonntag» und im «Sonntag-Blick» Artikel über den holprigen Kampf der katholischen Kirche gegen Missbrauch. Besonders in der Kritik: das Bistum Basel und sein Bischof Felix Gmür. Das Bistum reagierte auf die Berichterstattungen ungewohnt scharf.
Nicole Arz
Ob das Bistum Basel ein Problem habe, fragt die «NZZ am Sonntag». Die wichtigste Zeitung der Schweiz spielte damit auf Missbrauchsmeldungen an, die das Bistum laut «Sonntags-Blick» (1.6.) nur zögerlich bis gar nicht an die Studienleiterinnen der Uni Zürich herausgebe. Allein in den sechs Monaten zwischen Herbst 2023 und Frühling 2024 hat das Bistum 92 neue Hinweise auf sexuelle Übergriffe vermeldet – derweil dürften es einige mehr sein. Der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain, zuständig für das Missbrauchsdossier bei der Schweizer Bischofskonferenz, hat laut «NZZaS» (8.6.) und «Blick» seinen Amtskollegen Gmür aufgefordert, der Universität Zürich vollen Zugang zu gewähren.
Bistum irritiert und verweist auf Datenschutz
Das Bistum Basel reagiert auf die Vorwürfe irritiert. Am späten Sonntagabend (8.6.) verschickte das Generalvikariat eine Medienmitteilung, die der «NZZaS» und «Blick» «unlauteren Journalismus» vorwirft und ein Überschreiten der «Grenzen des Anstands, was einem Rufmord gleichkommt, und (sie) verunglimpfen in niederträchtiger Art und Weise das Bistum Basel, seinen Bischof und damit die ganze katholische Kirche.»
Laut dem Bistum Basel entspricht die Berichterstattung der beiden Zeitungen nicht der Wahrheit und die Seriosität der vom Sonntags-Blick zitierten Quelle wird in Abrede gestellt. Der Bischof von Basel stelle dem Forschungsteam der Universität Zürich alle Archiv-Akten zur Verfügung. Weil das Bistum aber sicherstellen müsse, dass alle Vorschriften des schweizerischen Rechts eingehalten würden, sei es schon lange mit den Historikerinnen der Universität im Austausch und hätte mit ihnen bereits vor dem Erscheinen der Artikel ein Gespräch vereinbart.
Neues Gutachten im Fall Denise Nussbaumer
Weiter bezieht sich die «NZZaS» auf ein neues Gutachten im «Fall Denise Nussbaumer», das der Zeitung vorliege. Denise Nussbaumer (Pseudonym) war als Vierzehnjährige über drei Jahre lang von einem Priester sexuell missbraucht worden. 2019, als Erwachsene, zeigte sie den Missbrauch beim zuständigen Bistum Basel an. Die «NZZaS» erinnert daran, dass der Bischof für seinen Umgang mit dem Fall vom Vatikan gerügt worden sei, da er dem Täter unter anderem eine Kopie von Denise Nussbaumers Tagebuch, ausführliche die Übergriffe beschreibende Mails geschickt und auch ihre Adresse preisgegeben hatte.
Das Bistum schreibt in seinem Statement, dass der Vatikan deswegen keine Rüge, sondern lediglich eine Mahnung ausgesprochen hätte. Das Narrativ der Rüge entspreche nicht den Tatsachen und werde nicht wahrer, wenn es ständig wiederholt werde. (Die Debatte um Rüge oder Mahnung ist nicht neu. Der Abt von St. Maurice, der aus anderen Gründen vom Vatikan gemahnt wurde, interpretiert diesen Vorgang auch anders als Kirchenrechtler:innen.)
Ungeachtet der Wortwahl, das kirchenrechtliche Gutachten lege weitere Fehler des Bistums in diesem Fall offen, schreibt die «NZZaS». Bischof Gmür habe nicht nur die Meldepflicht verletzt, sondern auch dem Vatikan explizit geraten, auf ein kirchenrechtliches Verfahren zu verzichten – «mangels eindeutiger Beweise», wie im Gutachten zu lesen sei. Weiter heisse es darin, Gmür habe versucht, sein Vorgehen juristisch abzusichern und habe ein Anwaltsbüro beauftragt, nach rechtlichen Gründen zu suchen, um die Weitergabe des Tagebuchs und die detaillierten Schilderungen der Übergriffe zu legitimieren. Die beauftragte Anwältin sei zu allem hin auch noch diejenige Juristin, die die «unabhängige» Meldestelle für sexuelle Übergriffe im Bistum Basel leite.
Das Bistum hält dagegen, dass dieses Gutachten ein vom Rechtsvertreter der Betroffenen erstelltes einseitiges Parteigutachten und daher kein unabhängiges sei. Völlig unabhängig sei hingegen die Meldestelle des Bistums Basel. Weiter heisst es in der Medienmitteilung, es sei unwahr, dass Bischof Gmür ein kirchenrechtliches Vorverfahren in der Causa Nussbaumer eingestellt hätte, vielmehr sei das Verfahren abgeschlossen worden. Eine Empfehlung an den Vatikan gehöre zum Standardprozedere.
Der Bischof hätte darüber hinaus der Betroffenen den Weg zu einem kirchenrechtlichen Strafverfahren eröffnen wollen, was ihr Rechtsvertreter, eben dieser Parteigutachter, abgelehnt hätte. Dieser wolle auch nur deshalb anonym bleiben, weil er sich in einen Interessenskonflikt mit seinem Arbeitgeber, der Schweizer Bischofskonferenz, verstrickt habe.
Gibt es einen Zusammenhang zu den Vorgängen beim Berner «pfarrblatt»?

Der Missbrauchsfall Denise Nussbaumer wurde vor zwei Jahren vom «Beobachter» öffentlich gemacht und in der Folge von Annalena Müller, die vor gut zwei Wochen als Chefredaktorin des Berner «pfarrblatt» freigestellt worden ist, medial eng begleitet. Letzten Herbst führte Müller mit Denise Nussbaumer ein ausführliches Interview, in welchem Denise Nussbaumer Bischof Felix Gmür scharf kritisiert hatte.
Die «NZZaS» und der Bund (8.6.) äussern beide die Vermutung, dass Müllers Freistellung mit ihrer Berichterstattung zu tun hat. «Redaktorin als Bäuerinnenopfer»? titelte gar der «Bund». Der Vorstand der Pfarrblatt-Gemeinschaft bestreitet diesen Zusammenhang und hält an seiner Begründung fest, wodurch Müller wegen «unterschiedlichen Auffassungen» zur Ausrichtung und einem «fehlenden Vertrauensverhältnis» entlassen und freigestellt worden sei. Bischof Felix Gmür schreibt, er hätte vom Entscheid, Annalena Müller zu entlassen, nichts gewusst. Es seit Fakt, dass das Bistum in keiner Art und Weise etwas mit der Freistellung zu tun gehabt hätte.
Die Medienmitteilung des Bistums Basel finden Sie hier verlinkt