Begeisterung ist ansteckend - Gabriella Aebersold

Kürzlich sitze ich im überfüllten Abendzug nach Hause. Wie es sich für uns Schweizer gehört, füllen sich die Viererabteile erst kurz vor der Abfahrt, zuvor beansprucht man ein Abteil für sich allein. An diesem Abend gibt es keine jungen Leute, die mit ihrem fröhlichen Geplapper den Feierabend einläuten. Die Stimmung ist bedrückend. Das ewig kalte Winterwetter schlägt auf die Moral. Plötzlich lässt mich eine Stimme aufhorchen. Eine Frau – geistig etwas beeinträchtigt – beginnt lautstark eine Unterhaltung mit ihrem unbekannten Sitznachbarn. „Wie dieser wohl reagieren wird?“, geht es mir durch den Kopf. Zu meiner Freude beantwortet er geduldig ihre Fragen und nimmt Stellung zu ihren Ausrufen.

Mit grosser Begeisterung nimmt sie nämlich die Wetterkapriolen draussen wahr: gerade noch schien die Sonne, dann wird es immer dunkler und wir fahren in eine regelrechte Schneewand hinein. Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel und bedecken die Erde bereits wieder mit einem imposanten weissen Teppich. Die Frau ist ganz aus dem Häuschen und kann nicht fassen, was sich da abspielt, denn kurz darauf ist der Spuk vorbei: die Sonne scheint und von Schnee weit und breit keine Spur…

Hätte ich dieses eigenartige Wetterspektakel überhaupt mitbekommen, wenn mir diese enthusiastische Frau nicht auf die Sprünge geholfen hätte? Wer ist da geistig etwas beeinträchtigt?

 

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