Elisabeth Gmür bietet Gesprächsabende für Trauernde an.

"Beim Trauern gibt es kein richtig oder falsch"

"Tod und Trauer – Mit dem Verlust eines nahen Menschen weiterleben" – unter diesem Titel bieten die Kirchen in Biel Gesprächsabende für Trauernde an. Für Co-Leiterin Elisabeth Gmür ist der persönliche Austausch unter Betroffenen besonders wichtig für die Trauerarbeit, auch wenn "das Trauern etwas sehr Individuelles ist."

Der angebotene Kurs soll die Teilnehmenden dabei unterstützen, mit dem Verlust eines nahen Menschen weiterzuleben. Gibt es denn eine richtige Art zu Trauern?

Elisabeth Gmür: Nein. Beim Trauern gibt es kein richtig oder falsch. Trauern ist etwas sehr Individuelles. Wer unseren Kurs besucht, weil er das Gefühl hat, er könne sein Leid gar nicht richtig ausdrücken, geht von einer unzutreffenden Selbsteinschätzung aus.

Wann würden Sie das Verhalten eines trauernden Menschen trotzdem als unangemessen  bezeichnen?

Unangemessen ist eine Trauer nur dann, wenn sie sehr lange dauert. Ich habe schon eine trauernde Frau kennengelernt, deren Verhalten auf einen Todesfall vor etwa einem Jahr schliessen liess. In Wirklichkeit lag der Verlust des nahen Verwandten schon zwanzig Jahre zurück. Wenn zudem andere Familienangehörige, etwa weitere Kinder, jahrelang unter der Trauer ihrer Mutter leiden müssen, dann würde ich eine psychologische Begleitung empfehlen.

Was für Kompetenzen lassen sich in einem solchen Trauer-Kurs erwerben?

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen lernen, ohne Hemmungen mit anderen Menschen über ihren Verlust zu reden. Denn oft haben auch die nächsten Angehörigen zuwenig Verständnis dafür, dass die trauernde Person immer wieder über ihre Trauer sprechen  möchte. Nach etwa einem halben Jahr wird ihr dann vermittelt: So jetzt reicht's doch, schau wieder in die Zukunft! Solche Ansprüche finde ich besonders tragisch. Sie zeigen vielleicht die eigene Angst auf, sich mit den Themen Tod und Sterben auseinanderzusetzen. Denn zwei bis fünf Jahre lang sollte sich ein Mensch ruhig mit seiner Trauer beschäftigen können Umso wichtiger ist daher ein Ort wie dieser Kurs, welcher ein Austausch unter anderen Betroffenen unterstützt.

Ist es empfehlenswert nach dem Tod eines nahen Menschen möglichst schnell den Kontakt zu anderen Leuten zu suchen und umgekehrt den Rückzug zu vermeiden?

Beides ist möglich. Das angemessene Verhalten hängt davon ab, wie jemand auch sonst seine Probleme zu bewältigen versucht. Wenn er gerne die Einsamkeit in der Natur sucht oder Musik hört, ist dies ganz legitim. Es wird mit der Zeit trotzdem der Moment kommen, in dem der Austausch mit anderen Menschen eine gute Unterstützung bietet.     

Den Tod des eigenen Kindes stellt sich  ein Vater oder eine Mutter als ein besonders schwerwiegendes Ereignis vor, das für die Eltern kaum tragbar ist. Wie können Eltern damit umgehen?

Das ist tatsächlich eine sehr schwierige Situation, in deren Folge sogar Ehen zerbrechen können, weil die Eltern auf unterschiedliche Weise trauern. Auch hier ist es hilfreich, wenn die Betroffenen mit anderen Menschen über ihren grossen Verlust sprechen. Damit wird nicht garantiert, dass der Schmerz sich lindert, trotzdem ist der Ausdruck der eigenen Trauer etwas sehr Wertvolles. Von meinen Vorträgen in Schulen weiss ich, dass auch die Geschwister eines verstorbenen Kindes und die Klassenkameraden grosse Mühe im Umgang mit diesem Tod haben. Denn es ist nach unserem Verständnis einfach nicht normal, dass Kinder vor ihren Eltern sterben. Für diese jungen Menschen ist es ebenfalls wichtig, eine Form zu finden, welche ihnen den Austausch ermöglicht.

In Todesanzeigen steht immer öfters, dass die Abdankung bereits im engeren Familienkreis stattgefunden hat. Nimmt man damit den Bekannten und Freunden nicht die Möglichkeit, sich persönlich zu verabschieden. Haben Angehörige ein Anrecht auf die eigenen Toten?

Für mich stimmt ein solches Verhalten nicht, das verstehe ich als einen verweigerten Abschied. Es kann sein, dass ein schwerkranker Mensch verbittert wird und in der Folge selber diese Abdankung im engsten Kreis wünscht. Ich persönlich als Angehörige würde mich aber über diesen Wunsch hinwegsetzen und im Gespräch mit der kranken Person vor Augen führen, was dies für Freunde bedeutet, wenn sie vom Abschiednehmen ausgeschlossen werden. Zweimal haben mir Mütter  von verstorbenen Jugendlichen berichtet, wie sie mit dem Gedanken gekämpft haben, dass sie sich jetzt auch noch vor aller Welt ausstellen müssten, und sich dann doch für eine öffentliche Beerdigung entschieden haben. Sie haben dies zwar im Moment als schmerzhaft empfunden, aber anschliessend auch als sehr tröstlich. Von jedem Menschen wird doch mit Freude eine Geburtsanzeige verschickt und ich denke, jeder Mensch hat später auch das Recht, dass wir mit gemeinsamer Anteilnahme von ihm Abschied nehmen.

Über was Trauern die Menschen eigentlich: Über das Schicksal des gestorbenen Menschen oder über den eigenen Verlust?

Wir trauern über den Verlust. Beim Tod der Eltern, auch wenn wir uns längst von ihnen gelöst haben, nehmen wir plötzlich wahr, dass wir nun die nächsten sein können. Wir trauern um den fehlenden Austausch, die  fehlenden Berührungen. Beim Tod des Partners entstehen Ängste vor der Einsamkeit, der Ansprechpartner im Alltagsleben fehlt, Verantwortungen  können nicht mehr geteilt werden. Wie kann ich damit umgehen?

Sie bilden schon seit vielen Jahren Menschen aus, die sich als Freiwillige in der Begleitung von Schwerkranken engagieren. Hat sich Ihr eigener Umgang mit dem Sterben, mit dem Tod in dieser Zeit verändert?

Mit dem Bewusstsein, dass mein Leben endlich ist, kann ich gut umgehen. Hingegen  weiss ich nicht, wie mein Sterben sein wird. Aus heutiger Sicht lehne ich lebenserhaltende Massnahmen strikte ab, aber ich bin jetzt noch nicht in dieser Situation. Und wer weiss, wie ich mich dann verhalte. Verändert hat sich sicher mein eigenes Reden über den Tod und das Sterben. Erstaunlicherweise sprechen mich auch fremde Leute zu diesen Themen an, obwohl sie meine Tätigkeiten ja nicht kennen. Mit unbekannten Menschen lässt sich  leichter darüber sprechen und vielleicht spüren sie bei mir die Bereitschaft, auf dieses schwierige Thema einzugehen.

 

Interview/Foto: Niklaus Baschung

 

Tod und Trauer

Mit dem Verlust eines nahen Menschen weiterleben

23. November, 7./21. Dezember 201l, 4./18. Januar, 1. Februar 2012 jeweils Mittwoch 19.30-21.30 Uhr Wyttenbachhaus, Rosius l, Biel, 1. Stock

Sechs Gesprächsabende für Trauernde. Leitung: Theodor Schmid, Elisabeth Gmür

Dies ist ein ökumenisches Angebot für Menschen in Trauer der Kirchen von Biel und Umgebung (AMiT)

Info und Anmeldung bis 21.11. (Beschränkte Teilnehmerzahl, deshalb bitte frühzeitig anmelden): Sekretariat Ref. Kirchgemeinde Biel (Biel-Stadt), Ring 4, 2502 Biel Tel. 032 323 47 12 biel-stadt@ref-bielbienne.ch

 

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