Bruder Klaus (vorne links) im Bild «Der Bundesschwur» von 1586

Bruder Klaus, Bubenberg und andere Bernensia

Referat von Josef Lang vom 18. August in der Christkatholischen Kirchgemeinde in Bern im Rahmen der ökumenischen Veranstaltungen „Bruder Klaus in Bern“.

Wir dokumentieren hier das Referat vom 18. August in der Christkatholischen Kirchgemeinde in Bern im Rahmen der ökumenischen Veranstaltungen „Bruder Klaus in Bern“.

Von Josef Lang

Die Beziehungen zwischen Bruder Klaus und Bern waren vielfältig und bedeutend – während der Lebenszeit des Eremiten und im 16. Jahrhundert im Kampf zwischen Protestanten und Katholiken um dessen Erbschaft. Eine Schlüsselrolle spielten dabei die innereidgenössischen Auseinandersetzungen um das Söldnerwesen. Politisch und persönlich am bedeutendsten war die Beziehung zwischen Bruder Klaus und Adrian von Bubenberg. Ihre wichtigste Gemeinsamkeit war der Kampf gegen die damaligen Kriegsgeschäfte – insbesondere die mit Frankreich.

Der Berner Bruder Klaus-Freund

Die ältesten Zeugnisse einer Beziehung zwischen dem Obwaldner Eremiten und dem Berner Ritter stammt aus dem Jahr 1469, sieben Jahre vor den Burgunderkriegen. Der Bischof von Konstanz hatte seinen Weihbischof beauftragt, die „wunderbare Enthaltsamkeit des Bruder Klaus zu prüfen“. Sollte sich erweisen, „dass hinter all diesen sogenannten Tatsachen ehrgeizige und betrügerische Machenschaften stecken“, könnte das für den „in Unterwalden und fast im ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft“ legendären „Laien“ gefährliche Folgen haben.[1] Immerhin war der Bischof Hermann der Dritte von Breitenlandenberg ein Verwandter des Erstgeköpften von Greifensee, einem Massaker, an dem möglicherweise auch der damals 27jährige Niklaus von Flüe beteiligt gewesen ist. (Wir kommen noch darauf zurück.)

Der Weihbischof stiess in Sachseln in den Worten von Pirmin Meier „auf eine Phalanx von interessierten Bruder Klaus-Freunden“ – unter ihnen den Obwaldner Landammann und den Berner Altschultheiss.[2] Zum Entsetzen der Anwesenden musste Bruder Klaus „drei Bissen Brot“ essen. Beim dritten Biss warnten die Zeugen den Hochwürden: „Gnädiger Herr, kommt es soweit, dass ihr mit dieser Speise Bruder Klaus um sein Leben bringt, kommen eure Gnaden um seinetwillen zu einer Verkürzung des Lebens.“[3] Der Eremit überlebte und damit auch der Weihbischof.

Friedenspartei und Kriegspartei

Kurz vor der Fastenprüfung vom 27. April 1869 war die Ranftkappelle eingeweiht worden, ein Beweis lokalkirchlicher Autonomie. Der prominenteste Gast war bereits bei diesem Akt der Berner Bubenberg gewesen. In den folgenden Jahren, Adrian starb 1479, Niklaus 1487, spannten die beiden zusammen – gegen Niklaus von Diesbach. Das Wichtigste, was in den 1470er Jahren in Bern ablief, war gemäss dem grossen Bern-Historiker Richard Feller „ein Ringen“ zwischen Bubenbergs „Friedenspartei“ und Diesbachs „Kriegspartei“.[4] Diesbachs Doppel-Ziel war die Westausdehnung Berns und die Geschäftemacherei mit dem König Frankreichs. Beide Zwecke erheischten eine Offensiv-Allianz mit König Ludwig XI. gegen Burgund. Bubenberg war dagegen, weil er Burgund nicht als Gefahr betrachtete und die Solddienste ablehnte. Feller weist in der „Geschichte Berns“ darauf hin, dass Karl der Kühne der Schweiz „nicht bedurfte, weil sie nicht auf seinen Machtlinien lag“.[5]

Berner Historiker für Bubenberg und Bruder Klaus

Diesbachs Vorwärts-Strategie Richtung Westen war auf einen Frieden im Osten und Norden zwischen Eidgenossen und Österreich angewiesen. Unterwalden, das gegenüber der Annäherung an Frankreich und der „Ewigen Richtung“ mit Österreich skeptisch war, wurde von beiden Berner Parteien bearbeitet. Bubenberg warb mit der offensichtlichen Unterstützung durch Bruder Klaus gegen den Kriegskurs, Diesbach sandte 1474 eine ganze Gesandtschaft nach Obwalden, das leichter zu knacken war.[6] Bruder Klaus wandte sich am 29. Mai des gleichen Jahres gegen das Pensionenwesen, insbesondere das französische. „Der heilig Eidgenoss, bruder Klaus von Flüe, ernstlich und treffentlich riet und ermant, dass d’Eidgenossen söltid der frömden hern und ires gelts müssig gon, irer landen und friheiten truwlich und einhellig warten und der gerechtigkeit fromlich anhangen.“ Schwyz soll aufgrund dieses Machtworts an Pfingsten 1874 eine „alte fromme Satzung“ wider die Söldnerwerbung erneuert haben.[7]

Berichtet wird dies in der Berner Chronik des Valerius Anshelm. Auch wenn sie erst 1529 niedergeschrieben wurde, fusste sie „auf archivarischen Quellen und Mitteilungen Mitlebender“, wie der grosse Bruder-Klaus-Forscher, der Stanser Robert Durrer, vor 100 Jahren festhielt.[8] Anshelm, ein Überlebender von Marignano und der erste Autor, der von Flües Frau Dorothea Wyss namentlich erwähnte, unterstützte als Zeitgenosse die Reformation und als Historiker Bubenberg gegen Diesbach. Im Laufe des Jahres 1474 wurde Bubenberg kalt gestellt, im Juli 1475 aus dem Kleinen Rat verstossen. Kurz nachdem er sich nach Spiez zurückgezogen hatte, starb der durch einen Hufschlag verletzte Diesbach an der Pest. Seine laut Feller „festgefügte Partei“[9] setzte dessen Kriegs-Politik fort, die im März 1876 zu einem ersten Erfolg in Grandson führte. Als es kurz darauf darum ging, Murten gegenüber der weiterhin intakten Armee Karls des Kühnen zu verteidigen, holte die Berner Obrigkeit den erfahrenen Bubenberg aus der Verbannung zurück. Nachdem dieser seine Aufgabe als Kommandant bravourös gemeistert und das wortbrüchige Frankreich die Diesbach-Partei desavouiert hatte, wurde der Held von Murten an Ostern 1477 wieder Schultheiss.[10]

Murten und Greifensee

Wäre Murten im Juni 1876 gefallen, wäre es deren Besatzung wohl ähnlich ergangen wie der von Greifensee am 28. Mai 1444. Im Rahmen des „Alten Zürichkrieges“, an dem sich Bruder Klaus als Hauptmann beteiligt hat, hatten die Innerschweizer das Zürcher Städtchen belagert und zur Kapitulation gezwungen. Die siegreichen Kriegergemeinden waren danach gespalten in die harte Minderheit der Schwyzer und Luzerner, die für Verbrennen der 70köpfigen Besatzung, und die weiche Mehrheit, unter ihnen die Unterwaldner, die für Köpfen waren. Schliesslich wurden aus den Ältesten und Jüngsten zehn Personen verschont. Die Möglichkeit, dass von Flüe dabei gewesen war, bereitete den Autoren seiner Lebensgeschichte viel Unbehagen. Sie betonten dann auch, dass er sich im Kriege gerne „nebenaus verzogen habe“.[11]

Der erste offizielle Biograph, der Berner Humanist Heinrich Wölflin, schrieb, ohne auf Greifensee konkret einzugehen: „Nikolaus nahm nie ohne obrigkeitlichen Befehl an Kriegen teil. Er war der grösste Freund des Friedens; doch wo es fürs Vaterland zu streiten galt, wollte er nicht, dass die Feinde wegen seiner Untätigkeit unverschämt grosstun könnten; sobald deren Kräfte aber zusammengebrochen und überwunden waren, mahnte er nachdrücklich zur Schonung.“[12] Andere behaupteten sogar, die zehn Begnadigten verdankten von Flüe ihr Leben. Damit dürfte dessen damaliger Einfluss überschätzt worden sein.

Wie stark dieser später geworden war, zeigte sich 1480, ein Jahr nach dem Tod Bubenbergs und ein Jahr vor dem Stanser Verkommnis, im Zusammenhang mit dem „Widerstand von Schwyz und Unterwalden gegen Truppenlieferung an Frankreich“. Nach den Burgunderkriegen hatten die Eidgenossen König Ludwig XI. „kriegerische Hilfe zugesichert und die Zahl auf 6000 Mann festgesetzt.“ Die Kriegsverweigerung der beiden Stände wurde, wie der gut dokumentierte Anshelm schreibt und Durrer bestätigt auf den Einfluss des „heiligen Bruder Clausen“ zurückgeführt.[13]

Quellen der Reformatoren

Die beiden Freunde Niklaus von Flüe und Adrian von Bubenberg waren keine Pazifisten. Aber sie waren dagegen, dass die Schweiz mit Kriegen Geschäfte machte. Später werden die Reformatoren diese Forderung wieder aufnehmen. Wenn Zwingli sich auffällig häufig auf Bruder Klaus berief, hatte das zusätzlich damit zu tun, dass er um 1500 beim damals besten Kenner, dem erwähnten Wölflin, die Lateinschule besucht hatte. Der hochgebildete Geistliche Wölflin hatte den Auftrag zur Lebensbeschreibung des Bruder Klaus 1497 von der Obwaldner Regierung gefasst.

Wölflin, der sich auch Lupulus nannte, gehörte ab 1516 dem Einsiedler Humanistenkreis an, den der dortige Leutpriester Zwingli unter dem Einfluss von Erasmus um sich geschart hatte. 1523 ging Wölflin demonstrativ eine Ehe ein, obwohl er damit seiner Berner Chorherrenpründe verlustig ging. Allerdings trat der Berner Reformer nie aus der katholischen Kirche aus. Der protestantische Theologe Fritz Gloor stellt in seinem Buch „Bruder Klaus und die Reformierten“ die Frage: „War es allenfalls die Loyalität gegenüber seinen einstigen Arbeitgebern in Unterwalden, die ihn in späteren Jahren davon abhielt, sich offen zu seiner reformatorischen Überzeugung zu bekennen?“[14]

Die andere Bruder-Klaus-Quelle, auf die sich die Reformatoren stark abstützten, war die allererste Biographie, die über den Eremiten 1488, ein knappes Jahr nach dessen Tod, veröffentlicht worden war. Beim fraglichen Heinrich von Gundelfingen handelte es sich wie bei Wölflin um einen humanistisch gebildeten und gesinnten Chorherr. Er wirkte zwar in Beromünster, war aber mit Bern eng verbunden. 1486 hatte er die „Topographia urbis Bernensis“, eine etwas schwülstige Würdigung der grössten Macht der Eidgenossenschaft, veröffentlicht. Richard Feller widmet ihm in seiner Bern-Geschichte den Grossteil des Kapitels „Zwei Humanisten über Bern“.[15]

Gundelfingen legt Bruder Klaus, der den Eremiten persönlich getroffen haben dürfte, 30 Jahre vor der Reformation folgende Worte in den Mund: „Wir bereiten uns zum Krieg nicht um das Vaterland zu schützen, sondern um unsere Beutel zu füllen. Auswärts in den fernsten Gegenden Italiens, Frankreichs und Deutschlands suchen wir mit grösster Gefahr und Risiko für Leib und Seele Gewinn und Sold; alle vom Kleinsten bis zum Grössten frönen wir der Habsucht“.[16]

Der andere von Feller erwähnte Humanist, der das damalige Bern gewürdigt hat, war Albrecht von Bonstetten, Dekan des Klosters Einsiedeln und Sohn der Schwester Adrian von Bubenbergs. Auch Bonstetten, gemäss dem Historiker Johannes von Müller „der gelehrteste Schweizer seiner Zeit“[17] hat über Bruder Klaus einen umfassenden Text verfasst. Der in vier Sprachen verbreitete Bericht behandelt seinen Besuch am 31. Dezember 1479, also kurz nach dem Tod seines Onkels Adrian.[18] Bonstetten hat zuvor die Innerschweizer wegen ihrer Grobheit scharf kritisiert. „Gross und stark von Körper, wahres Söhne des Mars, in Ermangelung eigener Kriege auf fremden Sold erpicht; übermütig, ungezähmt und ungeputzt, rau und schnell im Reden und Tun.“[19] Bruder Klaus sieht der Humanist wie sich selbst eher als Gegenteil „sanft und demütig“ – auch in der Friedensfrage.[20] Möglicherweise hat Bonstetten in diesem Dualismus seinen Onkel Adrian neben Klaus und sich selbst gestellt und dessen Gegner Niklaus von Diesbach unter den Innerschweizer Grobianen gesehen.

Bruder Klausens Brief an den Berner Rat

Von Bruder Klaus gibt es nur wenige authentische Dokumente. Das bedeutendste ist ein Brief an die Berner Obrigkeit aus dem Jahre 1482. Darin bedankt sich der Eremit für eine grosszügige Gabe, die er für seine Vermittlerrolle beim Stanser Verkommnis erhalten hat. Die Berner haben damit den Einsatz des Ranft-Eremiten für die Aufnahme der verbündeten Städteorte Freiburg und Solothurn in die Eidgenossenschaft honoriert. In seinem Schreiben mahnt von Flüe die mächtigen Ratsherren, „auf den Frieden abzustellen“ sowie „Witwen und Waisen zu beschirmen“. Der Schlüsselsatz lautet: „Darum sollt ihr schauen, dass ihr einander gehorsam seid.“[21]

Es gibt für diese seltsame Aussage verschiedene Interpretationen, von denen ich Ihnen die zwei gegensätzlichsten vorstelle: Der progressive Innerschweizer Schriftsteller Manfred Züfle interpretierte die Aussage als „Korrektur“ am Stanser Verkommnis, das zusätzlich die Obrigkeiten zur Solidarität gegen aufständische Untertanen verpflichtete: „Klaus sagt’s den Herren, die endgültig auf dem Weg sind, zu ‚Gnädigen Herren‘ zu avancieren.“[22] Der konservative Berner Historiker Richard Feller sieht es ganz anders: „Gleich dem Stanser Verkommnis erkannte Bruder Klaus das Gebot der Zeit nicht in der Freiheit, sondern im Gehorsam.“[23]

Hübsches Lied und heftiger Streit

Der Brief von Bruder Klaus an den Rat von Bern hat 81 Jahre später zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Protestanten und Katholiken geführt. 1563 war in Bern ein 1513, also noch vor der Reformation, verfasstes und populäres „Hüpsch Lied von Bruder Clausen“ neu aufgelegt worden. Die 78-zeilige Original-Version kritisiert die Zustände in der Eidgenossenschaft, insbesondere die fremden Kriegsdienste, sehr scharf. Nun verschärften die Berner den Text zusätzlich, indem sie ihm drei Strophen zufügten. Die erste zitiert korrekt aus dem Bruder-Klaus-Brief, was den Eindruck der Echtheit schafft. Die zweite Strophe legt dem Eremiten die Empfehlung in den Mund, im Zweifelsfall aus der Heiligen Schrift Rat zu holen: „Wo ihr aber ein Problem habt / Zur Heiligen Schrift sollt ihr treten / in derart schweren Sachen“.[24]

Damit wird die Glaubensspaltung als Folge der Missachtung des angeblich auch von Bruder Klaus verfochtenen Schriftprinzips erklärt. Der Kaplan von Sarnen Johann Joachim Eichhorn, ein aus Deutschland stammender ehemaliger Lutheraner, enthüllte die Fälschung. Zusätzlich beklagte er sich, dass nicht nur Protestanten, sondern auch „naive Katholiken“ den Zusatz als authentische Äusserung von Bruder Klaus aufnehmen würden.[25] Aufschlussreich ist, dass die dritte Strophe davor warnt, von „fremden Herren“ Geld anzunehmen.

Bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde Bruder Klaus von den Protestanten mehr geehrt und zitiert als von den Katholiken. Dazu beigetragen haben auch Glaubensflüchtlinge wie der in die Waadt geflohene Hugenotte Humbert Mareschet. Im Auftrag der Berner Regierung schuf er 1586 für die Bürgerstube im Rathaus das allererste Gemälde über Bruder Klaus. „Der Bundesschwur“ zeigt, wie von Flüe dem katholischen Solothurner und dem reformierten Basler (dessen Stand zu von Flües Lebenszeit nicht eidgenössisch und schon gar nicht reformiert gewesen ist) die Hände auf die Schultern legt. Das Flunkern mit der historischen Wahrheit diente einem höheren Zweck. Das Bild sollte die katholischen Orte ermahnen, sich nicht von den reformierten abzusondern.[26]

Zaun gegen Bern

Mit Bern hat auch der berühmteste Satz zu tun, der Niklaus von Flüe zugeschrieben wird: „Steckt den Zaun nicht zu weit!“ Die Aussage stammt vom Innerschweizer Chronisten Hans Salat, und zwar ein halbes Jahrhundert nach dem Tod von Bruder Klaus. Der Luzerner Gerichtsschreiber war einer der wortmächtigsten Gegner der Reformation. Der Katholik Durrer hat über die „angebliche Warnung“, wie er sie nennt, folgendes geschrieben: „Ihr erstes Auftreten bei Salat im Jahre 1537 fällt mit den Bestrebungen Genfs, in den schweizerischen Schutzkreis zu treten, und mit dem Widerstand der Katholiken, die Neuerwerbungen Berns im Waadtland als eidgenössisches Territorium zu erkennen, zeitlich zusammen.“ In anderen Worten: Salat wandte sich mit seinem berühmt gewordenen Satz gegen die Stärkung der Reformation in der Eidgenossenschaft.

Durrer hat seiner Einschätzung eine wichtige Aussage beigefügt: „Dass der historische Bruder Klaus einer friedlichen Expansion nicht prinzipiell abgeneigt gewesen, bewies er ja dadurch, dass er den Widerstand seiner Landsleute gegen die Aufnahme von Freiburg und Solothurn gebrochen hat. War doch gegenüber Freiburg von den Gegnern gerade die welsche Nationalität ins Feld geführt worden.“ Damit macht der Stanser Historiker deutlich, dass Salats Zaun-Satz eine Schweiz ohne Romandie bedeutet.[27]

Die Tatsache, dass das berühmte Zaun-Zitat bei Bruder Klaus nicht zu finden ist, beweist nicht, dass er nie eine derartige Aussage gemacht hat. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich eher eine andere, soziale Interpretation als die nationale (die morgen wieder Urständ feiern dürfte) aufdrängen. Gemäss Roland Gröbli ging es dem Ranfteremiten darum, den hergebrachten Gemeinbesitz gegen den aufkommenden Eigenbesitz zu verteidigen. Die reich gewordenen Bauern sollen die Zäune für ihr Privatland nicht zu weit in die Allmenden hinein versetzen. Gröbli leitet deshalb aus der allfälligen Warnung vor dem „zu weiten Zaun“ die „Lebensregel zu mehr persönlicher und materieller Bescheidenheit zugunsten der Gemeinschaft“ ab.[28]

Spende für Lauterbrunnen

Die Bruder-Klaus-Berner, die ich bislang erwähnt habe, waren alles gebildete Städter. Aber der Ranft-Eremit hatte auch viel Besuch aus der ländlichen Bevölkerung, vor allem des Oberlandes. Ein Zeugnis dieses Kontaktes gibt es heute noch. Im Spendrodel der Kirche von Lauterbrunnen aus dem Jahre 1488 ist die neunte genannte Person „Bruder Klaus under der Floe.“ Die Lauterbrunner waren weniger wegen dessen Geld als wegen dessen „soft power“, wie man das heute nennt, an von Flüe gelangt. Es war ihnen darum gegangen, „durch die moralische Autorität des Einsiedlers Rückendeckung gegen die Opposition des Klosters Interlaken gegen den Kirchenbau und die Abtrennung von der Pfarrei Gsteig zu sichern.“[29]

Nicht nur in die hohe, sondern auch in die ländliche Berner Politik scheint sich Bruder Klaus eingemischt zu haben. Und deren Stossrichtung ähnelte auch in diesem Fall jener, die später die Reformation einschlug.

Josef Lang

 

[1] Robert Durrer (RD), Bruder Klaus. Quellensammlung Sarnen 1981 (1917-1921), 32f.

[2] Pirmin Meier (PM), Ich Bruder Klaus von Flüe, Zürich 2014 (1997), 233

[3] P. Rupert Amschwand OSB, Bruder Klaus. Ergänzungsband (EB) zum Quellenwerk von Robert Durrer, Sarnen 1987, 36

[4] Richard Feller (RF), Geschichte Berns, Band I Von den Anfängen bis 1516, Bern und Frankfurt am Main, 1974, 378

[5] RF 384

[6] RD 51

[7] RD 68f.

[8] RD 68

[9] RF 391

[10] RF 379-416

[11] RD 463

[12] RD 533

[13] RD 96

[14] Fritz Gloor (FG), Bruder Klaus und die Reformierten, Zürich 2017, 20

[15] RF 423-426

[16] RD 436

[17] Pirmin Meier (PM), Ich Bruder Klaus von Flüe, Zürich 2014 (1997), 157

[18] RD 79-90

[19] PM 158

[20] Kurt Mesmer, Albrecht von Bonstetten und das usserwelte Volk Gottes im Zentrum der Welt, in: Ins Zentrum. Katalog zur Sonderausstellung 2017 im Museum Bruder Klaus, Bad Ragaz und Zürich 2017, 39-49, hier 46.

[21] RD 14f.

[22] Manfred Züfle, hast noch Söhne ja, Zürich 1991, 59

[23] RF 434

[24] RD 605

[25] FG 60

[26] Josef Lang, „Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.“ Was Bruder Klaus und die Reformation verbindet, in: http://www.ref-500.ch/sites/default/files/josef_lang_-_bruder_klaus_und_reformation_-_referat_zug_1-4-17.pdf   

[27] RD 685; Josef Lang, Bruder Klaus und „seine“ drei Zäune, in: Mystiker Mittler Mensch, 600 Jahre Niklaus von Flüe, Zürich 2016, 308-311, hier 308

[28] Roland Gröbli, Mystiker Mittler Mensch, in: ebenda, 23-40, hier 40

[29] EB 14

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