Blick zur Villa Choisy: Über die aufwändig zusammengestellten Jura-Karststeine plätschert Wasser. Fotos: Niklaus Baschung

Der Garten ist die Seele des Hauses

Nach aufwändigen Restaurierungen lädt der Park Villa Choisy, neben der Kirche St. Maria gelegen, zum beschaulichen Verweilen ein. Der historische Garten um die Villa wurde auf seine ursprüngliche Bestimmung zurückgeführt: Er will eine romantische Inszenierung von Natur sein.

Wir stehen an der Strasse Juravorstadt, blicken hinauf zur Villa Choisy, und machen in Gedanken eine kleine Zeitreise 150 Jahre zurück: Als der Garten und das Haus Villa Choisy in den Jahren 1857 und 1858 gestaltet und erbaut wurden, bestand die nähere Umgebung aus Rebbergen. Die erste katholische Kirche (1867-1870) und die Villa Favorita (1861), welche die Villa rechts und links heute umrahmen, kamen später dazu. Bauherr Gottfried Scholl, Bieler Gemeinderat und Berner Grossrat , wusste, dass die Strasse, die am Grundstück vorbei Richtung Solothurn führte, bald attraktiver wird und eine Abzweigung Richtung Jura erfährt. Er hat also bewusst hier an diesem neuen städtischen Brennpunkt gebaut.

Voraussetzung für den Garten- und Hausbau war eine eigene Wasserversorgung - hier gewährleistet durch ein System mit Sodbrunnen, Überlauf, Zisternen - welche auch die im Garten angelegte Tuffsteingrotte gespiessen hat.

Romantische Inszenierung

Daniel Brotschi von der Ars Viridis, ein Gartenbau-Unternehmen, das sich unter anderem auf die Rückführung und Instandstellung bestehender historischer Gärten spezialisiert, widmete sich der Geschichte dieses Gartens eingehend. Im Verlauf der letzten Jahre hat er ihn zusammen mit seinem Team in aufwändiger, detailgenauer Arbeit seiner ursprünglichen gestalterischen Bestimmung wieder nähergebracht. Denn Bauherr Gottfried Scholl, damals auch Mitglied der Berner Kunstgesellschaft, liess diesen Garten als eine romantische Inszenierung anlegen, welcher die Passanten zum beschaulichen Staunen einladen soll.

Natur kopieren

"Man wollte in diesem Garten die Natur möglichst präzise kopieren" , erklärt der Gartenbaufachmann, " mit dem Ziel eine Natur zu präsentieren, die schon immer da gewesen ist." Konkret sei hier der Jura hinunter in die Stadt versetzt worden. Anstatt in der vorhandenen Hanglage Mauern zu errichten, wurden mit grossem Aufwand durch Ochsen- und Pferdefuhrwerke Jura-Karststeine hierher transportiert.

Diese Steine, die heute geschützt sind, wurden dannzumal bis nach Paris exportiert und im Gartenbau verwendet. Bei späteren Bauvorhaben auf dem Areal der Villa Choisy wurden die heute wertvollen Steine allerdings achtlos aufgeschüttet, überdeckt oder behelfsmässig aufgelegt. "Als Ehrfurcht vor der damaligen immensen Arbeit haben wir die Steine wieder einzeln im ursprünglichen Sinne eingefügt - eine zeitaufwändige Tätigkeit."

Minutiös ist der Hang nun mit den Stein-Trouvaillen wieder aufgebaut worden. Ein Wasserfall plätschert darüber. Eine Augenweide. Um die Natürlichkeit des Gartens zu betonen wurde eine montane bis alpine Bepflanzung angelegt. Dasselbe gilt für den Einbau einer Grotte - Ausdruck einer schon seit Ewigkeiten bestehenden Natur. Zwar ist die Bepflanzung standortgerecht, aber nicht ausschliesslich einheimisch. "Denn der Jura allein wäre zu langweilig gewesen für die Repräsentationszwecke, für die der Garten einst angelegt worden ist" ,meint Daniel Brotschi. Bei der aktuellen Restaurierung hat er den Garten einem Südalpenhang nachempfunden, ergänzt mit exotischen Pflanzen aus anderen Weltregionen. Einer japanischen Föhre zum Beispiel, einer Aurakarie aus Chile, eine Libanonzeder, Pflanzen aber, die bereits im 19. Jahrhundert in die Schweiz importiert wurden.

Kleinste Details

Wer mit dem Gartenbaufachmann durch den restaurierten Garten Villa Choisy spaziert, spürt die grosse Leidenschaft, mit welcher hier bis ins kleinste Detail geplant, konzipiert und schliesslich realisiert wurde. So wurde auf Sichtachsen geachtet, denn der Garten ist eine Show, da wollen die Erbauer sich darstellen, sich zeigen. Je nach Sichtwinkel oder Standort der Betrachter und Betrachterinnen wird der Blick auf die grosse Buche und den Mammutbaum gelenkt, die beide schon bei der ursprünglichen Anlage gesetzt worden. Oder er führt wie ein Schauspiel über Wasserfall, Grotte hinauf zur Villa Choisy.

Der Garten steht im bewussten Gegensatz zum gradlinig und symmetrisch, zweckgemäss gebauten Haus. Die geschwungenen Gartenwege hingegen dienen der Inszenierung, machen den Blick immer wieder frei auf Pflanzen, Grotten, Mauern. Einer dieser Wege wurde zum Vorplatz Süd der Villa ganz neu angelegt, rollstuhlgängig gemacht, und durch eine kunstvoll handgemachte Trockenmauer aus Jura-Natursteinen geschützt.

Stimmungsvolle Lichtung

Der Teil des Parks, welcher heute zur später erbauten Kirche St. Maria hinführt, wird einerseits durch die verbreiteten und befahrbaren Zufahrtswege zur Kirche geprägt, andererseits hat Ars Viridis zur grossen Buche eine repräsentative Freifläche mit einer Staudenpflanzung gestaltet. Diese verspielte Bepflanzung passt stilmässig zum ursprünglichen Gartenteil. Die entstandene, stimmungsvolle Lichtung lässt den Blick nun - im Gegensatz zu den früher wild wuchernden Bäumen - frei zur Kirche hin. Wer von der Juravorstadt aus durch den Garten geht, fühlt sich wie zur Kirche hinbegleitet und kann gleichzeitig an einem geschützten Ort verweilen.

Küchen- und Arzneikräuter

Der obere Teil des Parks wird heute durch eine grosse Stützmauer und das darüber gebaute Mehrfamilienhaus dominiert. Mit einer gepflanzten Föhre soll die Mauer nun verdeckt und der Ort etwas beschaulicher werden. Vor der Mauer begann früher der Nutzgarten bis hinauf zur Schützengasse. Als letzte Anekdote, als Erinnerung an diese Nutzung haben die Gartenfachleute zwischen die Zierstauden Küchen- und Arzneikräuter in das Staudenbeet gesetzt.

Das Interesse und die Begeisterung von Daniel Brotschi für historische Gärten sind mit der Villa Choisy verbunden. Als Jugendlicher schon hat er diesen Garten kennengelernt, bildete sich dann als Landschaftsgärtner und Baumschulist aus, wurde sich auf Reisen etwa nach Berlin stärker bewusst, dass Historie, Architektur und Gartenbau zusammengehören. "Auch in der Schweiz gibt es historische Gärten" ,erklärt er, "zum Beispiel in Hotel- und Touristenanlagen aus dem 19. Jahrhundert. Es besteht also Bedarf, dass diese Gärten mit Fachwissen unterhalten werden." Wichtig findet Daniel Brotschi, dass der Gartenbauer sich bei historischen Gärten dem Vorhandenen mit Respekt unterwirft, die Zusammenhänge erforscht und erkennt, sich inspirieren lässt und nicht mit der grossen Baggerschaufel rücksichtlos auffährt. Gerade bei der zurückhaltend gebauten Villa Choisy zeige sich, dass dieses Haus genau diesen inszenierten Garten als Ergänzung benötige. "Der Garten ist hier die Seele des Hauses."

Niklaus Baschung

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