Kirche Notre-Dame de la Prévôté in Moutier, die Glasfenster spiegeln sich im Tauf-becken in Form einer Taube. Bild :Niklaus Baschung

Der Jura lädt zu einzigartiger, sakraler Kunst ein

64 Kirchen mit modernen Glasfenstern gibt es im Schweizer Jura, von Laufen im Norden bis nach La Neuveville am Bielersee. Eine aussergewöhnliche Dichte von Kunst in Kirchenbauten. Doris Weber aus Delémont bietet Führungen zu diesen einzigartigen Kunstwerken an. "Ich besuche die Kirchen immer wieder und erlebe sie jedes Mal ganz unterschiedlich" , erklärt sie. 

Ihre erste Begegnung mit moderner Glasfensterkunst hatte Doris Weber als zehnjährige Schülerin. Mit ihrer Lehrerin besuchte sie die Kirche in Courfaivre. Der berühmte Künstler Fernand Léger hatte dort 1954 seine bahnbrechenden Scheiben geschaffen, mit Sujets, die sich einem schnellen Verständnis entziehen und zum längeren Verweilen einladen. Die Freude an dieser Kunstform war geweckt. Heute beschreibt die Kulturführerin ihre Faszination so: "Mir gefällt das Licht, das durch die Scheiben fällt, die nichtfigürliche Darstellung, die mehrere Interpretationen zulässt. Die offenen Farben und Formen fördern einen Esprit, der innerlich erwärmt. Die Kirchenbesucher müssen die Fenster gar nicht direkt anschauen und trotzdem erleben sie den Raum als Ort der Besinnung."

Bewegung ausgelöst

Weil dieser Fernand Léger als grosser Meister gilt, wird Courfaivre allgemein als der Beginn der Blütezeit moderner Glasmalerei im Jura betrachtet. Tatsächlich aber hat die Bewegung zwei Jahre zuvor in Pleigne begonnen, einem kleinen Dorf nahe der französischen Grenze. Der junge und damals noch wenig erfahrene Delsberger Künstler André Bréchet erhielt den Auftrag mit Glasgemälden das Leben, den Tod und den Sieg der Apostel Petrus und Paulus darzustellen. Der Verdienst, diese neue Strömung sakraler Kunst ausgelöst zu haben, kommt aber der Architektin Jeanne Bueche, ebenfalls aus Delémont, zu. Sie fragte bei Renovationsprojekten an Kirchen und Kapellen bekannte französische Maler direkt an, ob diese neue Glasfenster beisteuern könnten, und erntete grosses Interesse. Ihr Beispiel motivierte Bauverantwortliche auch anderer Pfarreien Künstlern und Künstlerinnen eine Ausdruckmöglichkeit zu bieten.

Ein "Pilgerweg"

Heute kann diese sakrale Kunst wie auf einem Pilgerweg besucht werden. Doris Weber hat auch die erste Themenwanderung "Kirchenfenster des Juras" geführt, die vom Bieler Arbeitskreis für Zeitfragen und dem Runden Tisch der Religionen organisiert worden ist. Besichtigt wurden acht Kirchen. Der Anlass bot Einblicke in das Schaffen von Fernand Léger in Coufaivre, Alfred Manessier in Moutier, Bodjol und André Bréchet in Delémont, Bernard Schorderet in Vicques, Jean-François Comment in Malleray-Bévilard, Fernand Giauque in Diesse und Isabelle Tabin-Darbellay in La Neuveville.

Wer kirchliche Bauten in dieser konzentrierten Folge besuchen kann, erfährt mit allen Sinnen, wie unterschiedliche Stimmungen sie auslösen können. Manche Kirchen bieten eine einladende Heimat, anderen möchte man lieber entfliehen.

Schmuckstücke

Es ist allerdings höchst individuell, welcher Kirchenbau mehr, welcher weniger anspricht. Unterschiedlich sind auch die Funktionen der Glasfenster: In den Kirchen von Moutier, Malleray, Delémont und Vicques sind sie in ein architektonisches Gesamtkonzept eingefügt, während die berühmten Fenster von Léger in Courfaivre ein Eigenleben zu führen scheinen und auch in einem anderen Bau vorstellbar sind. Obwohl der Künstler mit der figürlichen Darstellung des Credos in zehn Médaillons und zwei Hochfenstern ein durchaus religiöses Thema anspricht. In Vicques stehen die vom Fribourger Künstler Bernard Schorderet in Beton eingefassten Kirchenfenster in Konkurrenz zur grünen jurassischen Landschaft, welche durch grosse Sichtfenster in den Bau hineinstrahlt. Schmuckstücke für mich waren bei dieser ersten Themenwanderung (die eigentlich eine Themenbusfahrt ist) die Kirche Saint Georges in Malleray mit ihrer faszinierenden einladenden Architektur. Ein Gesamtkunstwerk, in dem nicht nur die Fenster von Jean-François Comment eine Hauptrolle spielen. In La Neuveville beeindruckt das grosse dynamische, farbenprächtige Fenster von Isabelle Tabin-Darbellay, welches beinahe eine Längsseite der Kirche Notre Dame de l'assomption einnimmt.

Führung

Eine Führung oder die Mitnahme von entsprechender Literatur ist bei einer solchen Pilgerfahrt zur Glasfensterkunst im Jura empfehlenswert. (in manchen Kirchen liegen Beschreibungen auf). Denn nicht immer sind die dargestellten Themen offensichtlich. Oder sind die Gegensätze zwischen dem Kirchenbau und der Gestaltung der Fenster erklärbar. So ist zu erfahren, dass es sich bei den friesförmigen Fenstern mit 500 verschiedenen Farben in der katholischen Kirche von Moutier um eine nicht-figürliche Darstellung der Mysterien des Rosenkranzes handelt. Gestaltet wurden sie vom bekannten Künstler Alfred Manessier. Für Doris Weber, Begleiterin der Gruppe aus Biel, ist klar, dass man die Kirchen mehrmals besichtigen sollte, um sie gebührend schätzen zu können. Die Wirkung der Glasfenster auf sie, sei nämlich immer wieder anders. "Ich lerne bei jedem Besuch etwas dazu."

Niklaus Baschung

 

Informationen

 Führung allgemein

 Zu den Kirchenfenstern im Jura werden auch individuell zusammengestellte Führungen angeboten. Kontakt: Doris Weber, Rue des Encrannes 12, 2800 Delémont, 032 422 11 65, www.vitraux-jura.ch

Literatur

 Moderne Kirchenfenster im Jura, Editions Pro Jura, Moutier, erweiterte Auflage 2005, mit zahlreichen Farbbildern. 

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