Die erste Gurke (Andrea und Ursina Meier)

Gestern hatten wir sie zum Nachtessen. In kleine Stäbchen geschnitten, mit wenig Salz. Sie schmeckte nach Sommer, nach lauen Grillabenden, und ein bisschen nach Ferien auf dem Balkan oder in Griechenland. Vorfreude auf die neue Jahreszeit. Sie hat diesen Geschmack bekommen, weil wir lange auf sie gewartet haben. Weil in unserm Kühlschrank seit Monaten die Knollen das Sagen haben und der bleiche Zuckerhutsalat. Wir haben beschlossen, das zu essen, was die Schweiz zu bieten hat – und insbesondere «unsere» Bauernfamilie aus Oberwangen. Jeden Montag bestelle ich am Telefon die Eier, das Fleisch und das Gemüse für die Woche. Und werde regelmässig ermahnt: «Müesst no chli Geduld ha – es het no nid möge wachse». Die Natur gibt das Tempo vor, der Jahreskreis bestimmt den Speiseplan. Natürlich nicht immer und nicht in absoluter Konsequenz, aber so oft als möglich. Ich lasse meinen Tisch decken von jemand anderem und gebe meiner Lust nach Tomaten und Peperoni aus Spanien nicht nach. Ich ordne mich ein in den grossen Zusammenhang vom Wachsen und Gedeihen, vom Wetter und vom Boden und bekomme dafür ein wunderschönes Geschenk zurück: den überraschend saftigen Geschmack der ersten Gurke, die Bauern in meiner Umgebung geerntet haben.

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