Papst Franziskus - hier auf dem Weg zur letztjährigen Bischofssynode - hat Barmherzigkeit zum Motto seines Pontifikats gemacht. Foto: Mazurcatholicnews

Die Kirche sollte ein mobiles Feldlazarett werden

Vom 8. Dezember 2015 bis 20. November 2016 findet das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit statt. Das Thema Barmherzigkeit ist für ihn ein zentrales Anliegen. In „Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“, seinem ersten Buch als Papst, macht er deutlich, was er darunter versteht.

Das Buch ist ein Interview, das der italienische Journalist und Vatikan-Vertraute Andrea Tornielli im Juni 2015 mit dem Papst geführt hat. Entstanden ist ein authentisches Buch, das Einblick gibt in das theologische Denken dieses Papstes, angereichert mit persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen. Allerdings versteht sich der Journalist hier vor allem als Stichwortgeber, der nicht klärend nachfrägt und den Interviewpartner auch nicht zur Konkretisierung bezüglich aktueller kirchenpolitischer Themen ermuntert.  

Wer bis anhin davon ausgegangen ist, Barmherzigkeit habe in erster Linie mit helfenden Taten zugunsten von Menschen in Not zu tun, wird vom Papst eines anderen belehrt. Auf die Frage, wann er als Kind zum ersten Mal Barmherzigkeit erfahren habe, erzählt er von einem Beichtvater, der ihn die Barmherzigkeit Gottes spüren liess, als er bei ihm beichtete. Barmherzigkeit ist für ihn jene göttliche Haltung, die umarmt, sie ist das Sich-Schenken Gottes, vor allem den Sündern, denn Jesus sei nicht der Gerechten willen gekommen, sondern um der Sünder willen. Etwas überraschend werden in diesem Interview im Zusammenhang mit Barmherzigkeit die Begriffe „Sünde“ und „Beichte“ ins Zentrum gerückt, nicht unbedingt Themen also, welche die meisten Schweizer Katholiken und Katholikinnen gerade ausgeprägt beschäftigen. Ein ganzes Kapitel widmet das Buch dem Geschenk der Beichte. Für Papst Franziskus ist die Beichte wichtig, weil Menschen soziale Wesen sind und die Vergebung eine soziale Dimension hat, denn auch die Menschheit wurde durch die eigenen Sünden verletzt.  

Für Papst Franzikus fängt Barmherzigkeit daher bei sich selber an. Der erste und einzige Schritt, um die Erfahrung von Barmherzigkeit zu machen, sei die Erkenntnis, dass wir selbst der Barmherzigkeit bedürften. “Der Herr wird nie müde, uns zu verzeihen. Wir sind es, denen es mit der Zeit beschwerlich wird, ihn um Vergebung zu bitten.“ Das Drama unserer Zeit sei, dass wir das Gefühl von Sünde verloren haben oder sie gar als unheilbar betrachten. „Die Verwundbarkeit unserer Zeit ist der mangelnde Glaube daran, dass es Erlösung gibt.“

In diesem Buch werden keine prägnanten Aussagen zu Politik, Wirtschaft oder etwa dem Klimawandel gemacht, dafür nimmt Papst Franziskus kirchenpolitisch kein Blatt vor den Mund. Etwa wenn er die Aufgabe der Kirche darin sieht, dass sie den Menschen die Begegnung mit der Barmherzigkeit Gottes ermöglichen solle. Dazu müsse sie aber aus den Kirchen und Pfarrhäusern hinausgehen und die Menschen dort aufsuchen, wo sie leben, leiden und hoffen. „Ein Feldlazarett, das ist das Bild, mit dem ich am liebsten diese hinausgehende Kirche beschreibe, denn es wird dort aufgeschlagen, wo Kämpfe stattfinden."

Kritik übt er auch an manchen kirchlichen Mitarbeitern und an Gläubigen, welche die richtige Lehre über die Barmherzigkeit stellten und die sich eher als Gesetzeswächter verstehen. Für Papst Franzikus ist Barmherzigkeit die Lehre. Barmherzigkeit sei ein unverzichtbares Element in den Beziehungen zwischen den Menschen, damit Brüderlichkeit entstehen könne. Mit Barmherzigkeit und Vergebung gehe Gott über die Gerechtigkeit hinaus. Er lasse seine Liebe erfahren, was die Basis wahrer Gerechtigkeit sei.

Niklaus Baschung

Info: Papst Franziskus: Der Name Gottes ist Barmherzigkeit  - Ein Gespräch mit Andrea Tornielli; Verlag Kösel, 126 Seiten, CHF 25.90

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