Die Menschen beim Namen nennen

Ein handgeschriebener Brief für jedes der 38'739 Todesopfer

Seit 1993 sind mindestens 38'739 Menschen beim Versuch, nach Europa zu flüchten, gestorben. Daran erinnern zum Flüchtlingstag die Kirchen in Zürich, St. Gallen, Luzern und Basel - in Bern in der Offenen Kirche in der Heiliggeistkirche.

Mit der Covid-19-Pandemie wurde plötzlich alles auf den Kopf gestellt, Veranstaltungen und Projekte abgesagt, Gottesdienste ausgesetzt. "Wir wurden von einem unerwarteten und wütenden Sturm überrascht. Es ist uns bewusst geworden, wir sitzen im selben Boot, alle verletzlich und orientierungslos, aber gleichzeitig wichtig und notwendig, alle aufgerufen, zusammen zu rudern, alle bedürftig, sich gegenseitig zu trösten", formulierte es Papst Franziskus an der Homilie vom 27. März. Es ist entscheidend, dass uns diese Erfahrung zum solidarischen Handeln bringt. Menschen auf der Flucht sind in diesen Zeiten besonders verletzlich.

Beten für die ganze Welt

Die Asylberatung der Fachstelle Sozialarbeit FASA der Katholischen Kirche Region Bern ist dank Videoanrufen mit den Klientinnen und Klienten in Kontakt geblieben. Zu normalen Zeiten ist ihr tägliches Leben bereits von Unsicherheit geprägt, da ihr Asylgesuch abgelehnt wurde und eine Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht möglich ist. Mit der Pandemie hat sich ihre Angst verstärkt. Viele Asylsuchende haben Verwandte, die sich noch auf der Flucht befinden. Sie durchqueren die Wüste oder begeben sich auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer. Hunderttausende Menschen leben aktuell in Flüchtlingscamps an den Aussengrenzen Europas und in Nordafrika unter katastrophalen Bedingungen. Sie sagen, ihre Haupttätigkeit sei das Gebet. Über Facebook oder Skype sind sie vom gemeinsamen Schlafzimmer aus mit ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft verbunden: Muslime, Hindus, Buddhisten, Christen. Jede Gruppe betet für die ganze Welt. Sie spüren die Nähe Gottes. "Ich glaube, dass er immer bei uns ist", meint H.A.. "Danke für die Nähe der Kirche."

Corona in Konfliktgebieten

Papst Franziskus ruft in Erinnerung, dass es neben Corona auch andere Pandemien gibt: "Hunger, Krieg, Kinder ohne Bildung." Ende März hat er zu einem globalen Waffenstillstand aufgerufen - wobei er sich auf einen Appell von UNO-Generalsekretär António Guterres bezog. 59 Länder haben sich hinter die Initiative gestellt. Und jetzt?

Das Hilfswerk Oxfam berichtet über Corona in Konfliktgebieten. Die Lage sei dramatisch: Weil viele Kriege trotzdem weitergehen, sei es unmöglich, die Pandemie zu stoppen. Und die globalen Militärausgaben liegen 280-mal höher als die Ausgaben für humanitäre Hilfe: "Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache", sagt Paolo Pezzati von Oxfam. Offenbar haben die Regierenden noch nicht verstanden, dass es jetzt nur eine sinnvolle Priorität gibt: Gesundheit, Nahrung und Bildung für alle Menschen statt dem tödlichen Handel mit Waffen.

Beim Namen nennen

Seit 1993 sind mindestens 38'739 Menschen beim Versuch, nach Europa zu flüchten, gestorben. Sie sind auf dem Mittelmeer ertrunken, wurden von Grenzwachen erschossen oder sind in der Kälte erfroren. Die Lage in den Flüchtlingscamps ist lebensbedrohlich. Zum Flüchtlingstag 2020 macht die Aktion "Beim Namen nennen" auf die Situation der Geflüchteten aufmerksam - sie wird mitgetragen von der Katholischen Kirche Region Bern. Kernstück der Aktion ist das Lesen der Namen der Verstorbenen und die Umstände ihres Todes, welches während 24 Stunden am 20. und 21. Juni in der Heiliggeistkirche stattfinden wird. Gleichzeitig wird mit den Namen der verstorbenen Geflüchteten an der Kirchenfassade ein Mahnmal errichtet.

Auch in Kirchen in Zürich, St. Gallen, Luzern und Basel wird die Aktion "Beim Namen nennen" durchgeführt. Gemeinsam haben sich die Organisatoren zum Ziel gesetzt, für jedes der 38'739 Todesopfer einen handgeschriebenen Brief an den Bundesrat zur richten, um die Verstorbenen zu würdigen und die Regierung zum Handeln aufzufordern.

Papst Franziskus wirbt für die Schaffung von humanitären Korridoren und die Öffnung diplomatischer Wege. Es gelte, sich jetzt vor allem um die Menschen zu kümmern, die besonders gefährdet sind. "Möge uns unser gemeinsamer Kampf gegen die Pandemie erkennen lassen, wie notwendig es ist, unsere geschwisterlichen Bande als Mitglieder der einen Menschheitsfamilie zu stärken!"

Namen lesen - Namen schreiben - Briefe schreiben, 24 Stunden in der Heiliggeistkirche, vom Samstag, 20. Juni, 12 Uhr, bis Sonntag, 21. Juni, 12 Uhr.

Weitere Informationen zur ganzen Aktion, auch für Freiwillige:

www.beimnamennennen.ch

www.offene-kirche.ch 

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.