Psalmen für den Sommer (Andrea und Ursina Meier)

Die Tür fällt knallend ins Schloss – übers vereiste Trottoir eile ich zum Tram, erwische es grade noch. Zischend schliesst sich die Tür. Muffige Luft, müde Gesichter, Gratiszeitungen rascheln. Auch ich ziehe eine Lektüre aus dem Rucksack. «Was ist der Mensch, dass du dich um ihn kümmerst?» Diese müden Gestalten in dicken, grauen und braunen Jacken und Mänteln, die mürrisch vor sich auf den schmierigen Tramboden starren… Was interessiert dich an uns? «Du hast dem Menschen Herrlichkeit verliehen, es fehlt nicht viel, dann wär er fast wie du» Eine Frau steigt ein mit Kinderwagen, ein Mann springt auf und hilft. Die Kleine im Wagen streckt ihm begeistert einen Apfelschnitz entgegen. «Mein Gott bist du gross! Und stets zu loben ist dein Name.» Die Frau mir gegenüber steht auf, ich blicke auf – wir sind am Bahnhof! Noch schnell die Mütze und die Handschuhe einsammeln… Ich eile hinaus, reihe mich in den Strom der Menschen, überquere die Strasse, ein Bus kommt an, ein Auto bremst, ein Kind hat einen Schal verloren. «Blicke ich zum Himmel, Betrachte ich das Werk deiner Hände».

Nun ist es wieder wärmer und ich fahre mit dem Velo zur Arbeit. Es geht so mancher Tag ohne Psalm dahin. So wie die Eichhörnchen im Sommer Nüsse sammeln für den Winter, sammle ich im Winter Psalmen für den Sommer. Kräftig trete ich in die Pedalen, nach Kehrsatz geht's den Berg hoch, eine kleine Kurve, es geht wieder abwärts – ich hebe kurz den Blick, vor mir liegt das Aaretal, dahinter prächtig die Alpenkette. «Ich hebe meine Augen zu den Bergen. Woher kommt meine Hilfe?»

Psalm 8 und 121

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.