Schon bald brennt eine Kerze im Zimmer. . . Foto: flickr

Spitalseelsorge - Ein offenes Ohr leihen

Kurz vor Mitternacht hat das Spital angerufen: Der schwerkranke Vater liegt im Sterben, für die Angehörigen heisst es, endgültig Abschied zu nehmen. Die Familienmitglieder treffen kurz später in der Klinik ein und versammeln sich am Sterbebett. Der Kranke ist kaum mehr ansprechbar. Nur: Was heisst hier und jetzt "Abschied nehmen?" Wie macht man das?

Die Pflegeverantwortliche bietet an, die Spitalseelsorge anzurufen. In so einer Situation versuche ich, diskret die "Regie" in diesem schweren Augenblick zu übernehmen. Schon bald brennt eine Kerze im Zimmer, jedes Familienmitglied sagt dem Sterbenden, was ihm noch am Herzen liegt, sagt danke für alles. Die Familie wünscht, die Andacht mit einem Segensgebet abzuschliessen. Für alle kehrt etwas Frieden und Ruhe ein.

Am Morgen werde ich in die Frauenklinik gerufen, zu einer Mutter, die einen Nervenzusammenbruch erlitten hat - auch hier versuche ich beizustehen und mitzuhelfen, Lösungen zu suchen.

Die Beispiele zeigen: In der Spitalseelsorge geht es um ein professionelles, vernetztes und nicht bloss punktuelles Beraten und Handeln. In allen öffentlichen und privaten Spitälern im Kanton Bern arbeiten heute entsprechend gut qualifizierte Spitalseelsorgende. Es ist wichtig, dass diese die Patientinnen und Patienten kennen, mit dem Personal in einem guten Kontakt stehen und in Beratung und Gesprächsführung bestens ausgebildet sind. Oft geht es um weit mehr als eine psychologische oder soziale Betreuung - rasch kreisen die Gespräche um ethische, religiöse oder transzendentale Themen, welche die Anwesenheit von theologisch geschulten Beratenden erfordern. Bei heiklen Themen ist es vertrauensfördernd, dass der Seelsorger an das Berufsgeheimnis und seine Schweigepflicht gebunden ist.

Im Spitalbetrieb haben die Pflegenden immer weniger Zeit, mit Patientinnen und Patienten über nicht-medizinische Fragen zu sprechen. Spitalaufenthalte werden tendenziell kürzer und der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu häufig wechselnden Bezugspersonen entsprechend schwieriger. Die Vereinsamung - vor allem bei älteren Menschen - nimmt zu und es fehlen oft Familienmitglieder und Freunde, mit denen heikle Entscheidungen besprochen werden können. Verschiedene ethische Fragen erfordern zunehmend erfahrene und gut ausgebildete Gesprächspartnerinnen und - partner.

Seelsorge hilft, Glauben und Religiosität als Quelle von Kraft, Trost, Zuversicht und Gemeinschaft zu stärken. Seelsorge leiht Menschen aber auch dort ein offenes Ohr, wo sie mit Gott hadern und mit religiösen Fragen kämpfen. Sie trägt zum allgemeinen Wohlbefinden der Patienten und Patientinnen bei und hilft bei der konstruktiven Bewältigung von Leiden, Verzweiflung, Einsamkeit und Gottesferne. Es ist also gut begründet, wenn die Spitalseelsorge jetzt im Spitalversorgungsgesetz des Kantons Bern verankert wurde.

Judith Bélat, lic. theol. Spitalseelsorgerin

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