Gerangel bei der Auswahl der Workshops. Foto: C. Burghagen

Tagung zur Migrationscharta

Engagiertes Gewusel im Foyer des reformierten Kirchgemeindehauses Johannes in Bern am vergangenen Samstag, 23. Januar: Hunderte Teilnehmende suchten nach christlichen Antworten auf die Flüchtlingsfragen und diskutierten eine Willkommenskultur in einer solidarischen Gesellschaft.

Flüchtlinge begleiten, Härtefälle, Fluchthilfe, Kirchenasyl, Ausländerrecht oder Interreligiöser Dialog – in über 50 Workshops fand ein lebhafter Austausch von Menschen statt, die meist bereits irgendwo engagiert sind. «Ich wollte das selber sehen!» erzählt mit Nachdruck eine Jugendseelsorgerin, die sich 14 Tage auf Lesbos aufgehalten hat, um gestrandeten Flüchtlingen zu helfen. Eine Deutschlehrerin aus Basel wundert sich: «Derzeit vermittelt man mir keine Flüchtlinge als Schüler. Wo sind die denn alle?» Eine Frau verteilt lächelnd Zettel, mit denen sie für die Mitarbeit bei einer Flüchtlingshilfe wirbt: «Wir freuen uns auf Dich!». «Nur die Eheringe dürfen sie behalten! », wettert ein Pfarrer aus dem Baselbiet, weil Flüchtlinge hierzulande ihr Hab und Gut abgeben müssen. Die Gruppe im Workshop hakt nach und der Seelsorger präzisiert: In den sieben Eingangs- und Verfahrenszentren (EVZ) der Schweiz werden den Asylsuchenden beim Eintritt Vermögen über 1000 Franken und ihr Schmuck, bis auf die Eheringe, abgenommen. Auch ihre Handys müssen sie abgeben. Nur, wer innert sieben Monaten die Schweiz wieder verlässt, bekommt seine Habe wieder. Wer bleibt, hinterlässt sein Vermögen zur Unkostendeckung. Später dann, wenn eine Arbeitserlaubnis erteilt wird, gehen zehn Prozent des Lohns an den Bund. Die umstrittene private Betreuungsorganisation für Regie und Spezialaufträge ORS begründet das Handyverbot damit, dass sie Missbrauch und Diebstahl verhindern wolle.

Roland Luzi ist mit seinen Mitarbeitenden und dem Ökumenischen Seelsorgedienst für Asylsuchende in Basel seit Kurzem direkt aufs Gelände des EVZ Basel gezogen. Hier in den Container-Büros hat er hohe Telefonrechnungen. «Wieso sollte ich einem 16-Jährigen verwehren, seine Mutter in Syrien anzurufen, um ihr zu sagen, dass er in Sicherheit ist?» Die Belastung für die Institutionen ist in den letzten Monaten gewaltig gestiegen. Doch seit dem Flüchtlingsansturm in Europa freut sich die Seelsorge Basel auch über zahlreiche Spenden aus der Bevölkerung. Zwar haben die Bewohnerinnen und Bewohner des Zentrums nur von 09.00 bis 17.00 Uhr Ausgang und mit 21 Franken Taschengeld pro Woche kann sowieso niemand grosse Sprünge machen. «Aber wir sind glücklich darüber, dass wir jetzt Krankenschwestern einstellen konnten. Die Menschen sind nach ihrer Odyssee oft verletzt, wie etwa ein Jugendlicher aus Afghanistan, der sich barfuss auf dem heissen Asphalt in Ungarn die Füsse verbrannt hatte», erzählt Luzi in seinem Workshop.
Unzählige solch kleine Begegnungen prägten die Tagung zur Migrationscharta. Darin hat eine Gruppe kritischer Theologinnen und Theologen christliche Grundsätze für eine neue Migrationspolitik formuliert. «In Flüchtlingsfragen muss Kirche politisch sein», waren sich wohl alle Teilnehmenden einig. Das vielfältige und professionelle Engagement, das an der Tagung sichtbar wurde, motiviert und macht Mut.

Christina Burghagen


www.migrationscharta.ch

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