Am letzten Dienstag war die Welt in der Pfarrblattredaktion noch in Ordnung. An der Teamsitzung auf dem Balkon wurde die Sommerserie geplant, die für Online geeigneten Ereignisse besprochen, die Printnummern durchgegangen und Vertretungen während der Ferienabwesenheiten sichergestellt. Nur gerade zwei Tage später wischt sich ein geschocktes Team ungläubig die Augen.
Nicole Arz
Der Vorstand hätte sich entschieden, das Arbeitsverhältnis mit Chefredaktorin Dr. Annalena Müller per 30. November 2025 zu beenden und sie per sofort freizustellen, wird das Redaktionsteam am Donnerstagnachmittag per Mail informiert. Die Entscheidung sei im Rahmen einer nun eingeleiteten strategischen Neuausrichtung des Pfarrblatts getroffen worden. Warum eine sofortige Freistellung nötig war, wird nicht begründet.
Die Email trifft das Team völlig unvorbereitet und wird im ersten Moment für einen schlechten Scherz gehalten. Aber mitnichten. Kurze Zeit später ist die Nachricht bereits beim Bund und auf kath.ch zu lesen sein. Die Medienmitteilungen sind verschickt, die kirchlichen Instanzen benachrichtigt.

Geschockte Redaktion und erste Reaktionen
Die Redaktion ist geschockt. Der Team-Chat läuft heiss, obwohl sich vorwiegend Sprachlosigkeit breit macht.
Erst vor drei Wochen hatte man sich zur jährlichen Vereinsversammlung in Burgdorf getroffen, wo Annalena Müller in ihrem Bericht aus der Redaktion positive Bilanz ziehen konnte. Ihren Auftrag, die Sichtbarkeit des Pfarrblatts zu vergrössern und vermehrt auch jüngere Menschen zu erreichen, hatte sie vollumfänglich erfüllt.
Die Neuausrichtung des Pfarrblatts unter Annalena Müller sei es gewesen, die sie bewogen hätte, das Pfarrblatt überhaupt zu abonnieren, schreibt eine enttäuschte Abonnentin. Sie hätte diese Art von Journalismus unterstützen wollen, die sie als relevante und hochstehende Auseinandersetzung mit nicht nur «innerkirchlichen und bernischen Themen», sondern auch «mit Aktualitäten von nationaler oder internationaler Bedeutung» ausmachte.
Die Freistellung von Annalena Müller sei ein Fehler, schreibt die Abonnentin weiter und zeige nach dem Debakel um kath.ch, «dass die katholische Kirche auf allen Hierarchiestufen mit relevantem und kritischem Journalismus weiterhin nicht umgehen könne».
Auch im Bund kommentiert eine Leserin, dass sie es schade fände, «dass einer engagierten und erfolgreichen Mitarbeiterin auf solche Weise gekündigt» werde. Ein solches Verhalten zerstöre die Glaubwürdigkeit des Pfarrblatts als unabhängiges Medium. Man könne sich die Lektüre in Zukunft sparen.
Und jetzt?
Die Redaktion wähnte sich zusammen mit Annalena Müller auf einem guten Weg. Als Chefin forderte und förderte sie das Team und trug in ihrer empathischen, zugewandten, klugen und humorvollen Art selbst zu allem im Übermass bei.
Damit hat es nun ein abruptes Ende. Auf der Website des Pfarrblatts wird es dieses Wochenende ruhig bleiben. Die geplanten Berichte vom Landeskirchenparlament, der Newsletter, ein Interview zur Täuferbewegung und die Hintergründe zur Bischofswahl sind gestrichen. Sie hätten alle aus Annalena Müllers Feder gestammt.
Zurück bleibt ein konsterniertes Team.