Sommerserie «Ich will dir singen und spielen»

 

... Teil 1 ...

Ohne Musik? Unvorstellbar...

Mitreissend und jubelnd klingt das Ausgangsspiel der Orgel in der Thuner St.-Martins- Kirche in den Sommerabend hinaus – Haydn würde sich freuen über die temperamentvolle Interpretation. Strahlend steigt Patrick Perrella von der Orgelbank. Er hat nicht bloss «im Gottesdienst gespielt», mit seiner Musik hat er gedankt und gepriesen und die Liturgie zu dem gemacht, was sie eigentlich ist: Feierliches Spiel vor Gott. Wenn Patrick Perrella von seinem Engagement als Kirchenmusiker erzählt, ist er kaum zu bremsen. Ein Gottesdienst ohne Musik, nein, das kann er sich nicht vorstellen: «Die Musik ist ein wichtiger Teil der Liturgie. Sie transportiert Inhalte, die schwer in Worte zu fassen sind. So können starke Emotionen wie der Schmerz an einer Trauerfeier am ehesten mit Musik ausgedrückt werden. Auch bei einer Firmung trägt die passende Musik viel dazu bei, eine Stimmung zu schaffen, an die sich auch ‹Weggefirmte› später gerne erinnern…».

Begeistert

Der 1971 geborene Patrick Perrella ist in Thun aufgewachsen, hat nach der Matura an der Universität Bern Betriebswirtschaft studiert und arbeitet als Marketing- & Projektmanager in der Kommunikationsbranche. Als er mit zwölf Jahren ein Instrument auswählen durfte war für ihn klar: Er wollte Klavier spielen – wie seine Grossmutter. Der Unterricht bei einem strengen argentinischen Lehrer brachte ihn weit, eine Zeitlang dachte er daran, Musik zu studieren. Er ging dann beruflich einen anderen Weg, behielt die Musik aber als leidenschaftlich betriebene Freizeitbeschäftigung. Im Jahr 1994 begann das Engagement als Musiker an der St.-Martins-Kirche: Damals ermunterte ihn der damalige Pfarrer Alois Stammler, das weihnächtliche Krippenspiel auf dem Klavier zu begleiten. Der Pfarrer war von diesem Projekt ebenso begeistert wie der Pianist, und schon kam die nächste Anfrage: Ob man nicht bei der Firmung «etwas machen » könnte? Man konnte, Patrick trommelte junge Leute zusammen, die ein Instrument spielten; das war die Geburtsstunde der bis heute aktiven Band «Da Capo». Sie begleitete an der Firmung 1995 zum ersten Mal jene Jugendlichen, die sich im Vorjahr für diesen festlichen Gottesdienst zu einem Chor formiert hatten und anschliessend beschlossen, zusammenzubleiben und weiterhin in Gottesdiensten mitzuwirken. Der Übername des Chorgründers Erwin Högger wurde zur Bezeichnung des Chores: Aus «Hootch» wurden die «Hootchers» … Auch sie singen und performen nach wie vor, sie musizieren in Gottesdiensten, pflegen untereinander schöne Freundschaften und haben eine ganz besondere Bindung an die Pfarrei. In Thun dirigiert Patrick auch einen Kirchenchor: Der Festtagschor ist ein Projektchor ohne feste Mitgliedschaft; seit über 40 Jahren kommt er stets an Ostern und Weihnachten zum Einsatz. Die Dirigentenausbildung holte Patrick sich in wahrhaftig gelebter Ökumene als erster Katholik beim reformierten Schweizerischen Kirchengesangsbund. Als man ihn in St. Martin aufforderte, doch auch die Orgel zu spielen, nahm er Unterricht und wurde zum nebenamtlichen Organisten. Dass er auch den Pfarrei- Kinderchor «Dreamlis» am Klavier begleitet, erwähnt er gerne, denn er ist überzeugt, dass Musik ein wunderbar geeignetes Mittel ist, Kinder und Jugendliche «in den Gottesdienst hinein zu nehmen», zu begeistern.

Bach und Sturmwind

Ob er eine Lieblings-Kirchenmusik hat? Mit leuchtenden Augen zählt er auf: Bach an der Orgel, Mozarts Chorwerke, das Entdecken von «Schätzen» in unserem Kirchengesangbuch, Mut, Neues auszuprobieren. Er erinnert sich gerne an den mit Pfarrer Franz Scherer zusammen gestalteten diesjährigen Ostergottesdienst zum Lied «Das könnte den Herren der Welt ja so passen» (KGB 444). Der Text von Kurt Marti und die Musik von Peter Janssens wurden zur Grundlage für liturgisches Schaffen. Wichtig ist für Patrick Perrella, dass die im Gottesdienst erklingende Musik «eins zu eins» ist, nie ab CD, sondern von Menschen in der Feier aus dem Glauben heraus gespielt und gesungen wird. Dabei sind ihm die aktive Teilnahme und das Erleben von (Gottesdienst-)Gemeinschaft wichtiger als Perfektion: «Natürlich proben wir, geben wir unser Möglichstes, aber wir treten nicht als Profis in einem Konzert auf, sondern wirken mit unserer Musik und Gesang im Gottesdienst mit. Dabei wird niemand ausgeschlossen – junge, noch nicht erfahrene Chorsängerinnen und Chorsänger haben dabei ebenso Platz wie junggebliebene Achtzigjährige.» An Plänen fehlt es nicht: Mit grossen Schritten geht es auf das grosse Benefiz-Konzert für Angola zu, es findet am Samstag, 16. November um 19.30 in der Kirche St. Martin Thun statt. Wenn der engagierte Berufsmann und Kirchenmusiker einmal Erholung und Entspannung braucht, reist er nicht weit. Der Thunersee ist für ihn Kraftquelle und Inspiration, hier lebt er, hier ist er geboren und aufgewachsen, «seinen» See liebt er nicht nur bei schönem, sondern ganz besonders auch bei stürmischem Wetter. «Dann machen Wind und Wellen Musik…»

Marie-Louise Beyeler

 

Zweites Vatikanisches Konzil 1963–1965
Kirchenmusik in der Liturgiekonstitution 
«Sacrosanctum Concilium»

Mitsingen …

Vor genau fünfzig Jahren tagte in Rom das Zweite Vatikanische Konzil. Die grossen Veränderungen in der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts forderten von der katholischen Kirche einen offenen Blick auf die konkrete heutige Situation der Menschen. Die Kirche unternahm den Versuch, der Ausdifferenzierung von Teilsystemen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, der Pluralisierung und Individualisierung des Lebensalltags Rechnung zu tragen und Schritte in die Neuzeit zu machen. Dabei galt es, Vorstellungen und Wünsche, Massgaben und Möglichkeiten zusammenzutragen und gangbare Wege auszuloten. In vier Konstitutionen, neun Dekreten und drei Erklärungen wurde der Weg ins dritte Jahrtausend vorgespurt. Nicht von ungefähr war das erste Dokument, das von der Versammlung behandelt und am 4. Dezember 1963 verabschiedet wurde, die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium. «Das Heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen …»: So beginnt das Dokument. Gleich eingangs also stehen die Gläubigen im Fokus, nicht die Kirche und ihre Institutionen. Wenn die Liturgie auch in unserer Zeit Quelle der Spiritualität sein soll, muss sie erneuert, den Menschen zugänglicher gemacht werden, dies ist die Ausgangslage, welche zur zügigen Bearbeitung des Dokuments führt. Ein Schwerpunkt der Liturgiekonstitution ist die participatio actuosa, die bewusste innere und äussere Teilnahme der Gläubigen am liturgischen Geschehen. Diese aktive Teilnahme gilt auch der Kirchenmusik. Die singende Mitwirkung der Gemeinde wird zum wichtigen Bestandteil der Liturgie.

mlb.

Literatur: Karl Rahner/Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Freiburg 2008; Martin Klöckener e.a. (Hrsg.), Gottes Volk feiert … Anspruch und Wirklichkeit gegenwärtiger Liturgie, Trier 2002.

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