Zu Gast bei Familie Dos Santos Gonçalves in Schönried

Gleich zu Beginn stellt unsere Gastgeberin Fatima Dos Santos Gonçalves klar, dass sie eigentlich gar nicht so gerne kocht. Umso mehr hat sie sich ins Zeug gelegt: Auf dem schön gedeckten Tisch stehen die Tapas bereit: In Schälchen sind geschnittene Rüebli, Oliven und Tomaten angerichtet, dazu gibt es Pasteis, kleines, mit Huhn und Crevetten gefülltes Gebäck. Bei ihnen stünden Tapas stets im Kühlschrank und seien mit einem Stück Brot zu jeder Tageszeit eine schnell zubereitetes Essen. Bedient euch, sagen die beiden Gastgeber und setzen sich noch etwas verhalten zu uns.

Zum Rezept

Sprachliche Vielfalt zum Hauptgang

Wir verständigen uns in drei Sprachen, das lockert die Tischrunde schon bald auf, ein paar Mal suchen wir auf einem unserer Handys heiter nach Übersetzungen.
Nebst ihrer portugiesischen Muttersprache gibt es Bärndütsch bei Augusto, Französisch bei Fatima, Hochdeutsch, Französisch, Englisch und waschechten Saanenländer Dialekt bei der dreizehnjährigenTochter Inès.

«Ich habe ein paar Mal versucht, Deutsch zu lernen», erzählt Fatima, «aber weil ich mit Portugiesisch und Französisch hier oben bestens durchkomme, liess ich es irgendwann bleiben».Inès dagegen liebt Sprachen, sie denkt sogar daran, sie zu ihrem Beruf zu machen, möchte nach der Schule weg, in französischsprachige und englischsprachige Länder.

Fatima huscht zwischen Tisch und Kochherd hin und her, lacht, erzählt, rührt in der Pfanne – alles gleichzeitig und ganz und gar nicht so, als wäre ihr das zuwider. Nach den Tapas kommt der Hauptgang auf den Tisch, die Zubereitung sei sehr einfach und eine von vielen Hundert Bacalhao-Rezepten, die es in Portugal gibt.

Das heutige sei in ihrer Familie ein Weihnachtsgericht, das gebe es während des Jahres eigentlich nicht. So gibt es an diesem heissen Sommerabend ein bisschen Weihnachtsstimmung, Augusto nimmt einen grossen Löffel und beginnt zu schöpfen: Die gebratenen, an einer Sauce aus Zwiebeln, Tomaten und Rahm servierten Bacalhao-Stücke schmecken köstlich. Da denken wir nicht mehr an Alphütten und Beggipfel, sondern an ein Restaurant mitten in Lissabon, an Porto und ans Meer…

Ein hartes Leben

«Wir sind nicht aus finanziellen Gründen aus Portugal weg gegangen,» erzählen jetzt Augusto und Fatima während des Essens. «Als irgendwann unsere Eltern und Geschwister alle in der Schweiz waren, hielten wir es vor Heimweh nach ihnen einfach nicht mehr aus. Was sollten wir noch in Portugal?
So zogen wir vor sechzehn Jahren hier ins Saanenland, suchten Arbeit, 2004 kam Inês zur Welt, mit der nun dreijährigen Iris wurde die Familie komplett – und jetzt ist das hier unser Leben. Unsere Verwandten sind in Chateau-d’Oeux, Lausanne und Zürich zu Hause, wir müssen also nicht weit reisen für unsere Familientreffen.»

Augusto arbeitet in einer grossen Molkerei als Chauffeur, Fatima in einem Hotel am Buffet, beide richten ihre Arbeitszeiten so ein, dass sie jeden Abend mit ihren Töchtern zusammen essen und den Tag Revue passieren lassen können. «Das Leben ist hart», sagen beide. Für ihre Einkäufe fahren sie am ehesten über den Jaunpass nach Bulle, im Saanenland liegen nur Einkäufe bei den Grossverteilern drin, alles andere ist viel zu teuer.

Süsse Ablenkung

Mittlerweile ist die kleine Iris aufgewacht und sitzt bei uns am Tisch. Fatima zerdrückt ihr in einem Teller Fisch und Kartoffeln, rasch löffelt die Kleine die erste Portion aus und verlangt nach «mais», mehr.
Iris geht einmal pro Woche in die Kita – am freien Tag von Fatima. «Ich kann es nicht anders machen… Wenn ich arbeite, beginne ich um halb sieben, da ist die Kita noch nicht geöffnet. An meinem freien Tag kann ich sie in Ruhe bringen, kann dann Hausarbeit erledigen und sie gemütlich wieder abholen. Das ist für uns beide gut so.»

Wie sieht es denn aus mit der Heimat Portugal? Augustos Blick sagt alles…«Einmal im Jahr Ferien sind schön, wir können im Meer baden, Verwandte treffen und geniessen, dass nicht alles so teuer ist, aber dann geht’s halt wieder in die Schweiz», sagt er, und Inês ergänzt: «Zum Glück! Ich bin hier geboren, habe hier meine Freundinnen, möchte hier einen Beruf lernen und später arbeiten,» sprudelt es aus ihr heraus. Die Eltern schweigen.

Gut, dass es mit dem Dessert Ablenkung gibt. Fatima nimmt eine schöne Puddingform mit Deckel aus dem Kühlschrank und stürzt dann behutsam den «Pudin caseiro» auf eine Platte. «Selbst gemacht», strahlt sie, schneidet den Flan in Scheiben und freut sich, dass er so gut gelungen ist.

Kommentar

Unser Redaktionsassistent Sebastian Schafer war auch bei Familie Goncalves zu Gast. Lesen Sie seinen Kommentar zu Heimat, Familie und Fremde auf Facebook.

 

Raclette à la portugaise

Beim Kaffee zeigt uns Inês Fotos von ihrer Firmung in der Pfarrei Gstaad. «Das war wunderschön. Ich bin gerne in der Pfarrei, als Ministrantin bin ich vertraut mit dem Gottesdienst. Meine Eltern kommen auch ab und zu in die Kirche, aber nur, wenn der Gottesdienst in Portugiesisch gehalten ist. Da treffen sie dann auch ihre vielen, vielen Freunde, die auch hier im Saanenland arbeiten.»

Ob es auch sonst Zeit für Freunde gibt? O ja, sagt Fatima, «wir haben sehr oft Gäste oder sind zu Besuch. Im Sommer grillieren wir gerne, im Winter gibt’s oft ein Raclette ‚à la portugaise‘, mit viel Fleisch dazu, wir haben uns immer etwas zu erzählen, schauen zusammen ein Fussballspiel und geniessen diese Momente sehr.» Fern von zuhause haben Augusto, Fatima, Inês und Iris im Berner Oberland eine Heimat gefunden.

Text: Marie-Louise Beyeler / Fotos: Pia Neuenschwander

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