«Es war ein Ort der Hoffnung»

Pfarreiseelsorger Jerko Bozic aus Büren an der Aare macht sich seine eigenen Gedanken über den Wallfahrtsort Oberbüren und erläutert, weshalb die Pilger*innen eine so beschwerliche Reise auf sich nahmen.

Interview: Blanca Burri

«pfarrblatt»: Wie deuten Sie den Wallfahrtsort Oberbüren?

Jerko Bozic: Ich habe das Gefühl, dass es ein Ort der Hoffnung gewesen ist. Denn im Mittelalter gab es nichts Schlimmeres, als wenn ein ungetaufter Mensch verstarb. Er landete im Limbus, einem Ort der Schwebe, dem er nicht entfliehen konnte, wo man weder Verlust, Schmerz noch Freude spürte. Das höchste Ziel der Gläubigen war aber der Einzug in den Himmel, um Seelenheil zu finden, und dafür war die Taufe nötig.

Tot Geborene können bis heute nicht getauft werden. Wie ist es mit dem Abschiedsritual?

Es gibt meines Wissens heutzutage keine Einschränkungen mehr. Ich denke, es kommt auf die Eltern und die Seelsorgenden an, wie sie sich von den ungetauften Kindern verabschieden. Die Menschen halten sich heute wie im Mittelalter gerne an Symbolen und Ritualen fest – an Engeln, die das Grab bewachen, Windrädchen, die für Leben stehen, oder Bäumen, die zum Andenken gepflanzt werden.

Sie denken also nicht, dass das Erwärmen der toten Kinder, taufen und begraben eine Spinnerei war?

Ich merke, dass man sich heutzutage mit dem Abschied nehmen und mit der Trauer schwertut. Das zeigt auch die Art der Gedenkstätte Oberbüren auf. Zwar hat man alle Skelette geborgen, doch danach baute man Häuser rundherum und erstellte einen unscheinbaren Besinnungsort mit einer stilisierten Metallfeder, die einem «Stewi» gleicht. Man lässt im wahrsten Sinne des Wortes Gras darüber wachsen.

Viele Menschen haben wohl das Gefühl, dass die Zugänge zu Leben und Tod von damals mit unserer modernen Realität nichts mehr zu tun haben. Das stimmt aber nicht. Viele Hinterbliebene brauchen nach wie vor einen konkreten Ort, wo sie hingehen können, um an ihre Liebsten zu denken und von ihnen Abschied zu nehmen. Die Gewissheit, dass es diesen Verstorbenen jetzt irgendwo gut geht, ist sehr tröstlich und auch im Christentum gut begründet. Ebenso wichtig sind Rituale, auch wenn die sich im Laufe der Zeit verändern.

Meinen Sie das beliebte Ritual der verstreuten Asche?

Das ist ein mögliches Beispiel. Wenn die Asche irgendwo verstreut wird, ist das für mich nicht dasselbe wie ein Grab, denn die Asche ist dann weg – vom Winde verweht. Immer öfter verabschiedet man sich ganz vom Sichtbaren eines Verstorbenen. Es gibt heutzutage viele leer wirkende Friedhöfe, so als wolle man den Tod unsichtbar machen. Aber er gehört nun mal zum Leben.

Was ist für Sie eine gute Form des Abschiednehmens?

Ich finde die traditionelle Form sehr schön, wenn ein Dorf oder eine Gemeinschaft zusammensteht und den Trauernden dadurch die Unterstützung in dieser schweren Zeit dargebracht wird. Heute wird oft im engsten Familienkreis Abschied genommen. Es finden – wenn überhaupt noch – kleine Feiern direkt am Grab statt. Gottesdienst und Lebenslauf mit den vielen persönlichen Eindrücken über den Verstorbenen werden ausgelassen. Das Leben ist so schnell, dass die Seele den Weg nicht mehr findet. Das Gleiche gilt wohl auch beim Abschied.

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