Foto: Sushobhan Badhai, unsplash

Adventslicht

Geborgenheit in Gottes Weiterexistenz?

«Sie wäre in diesem Jahr 90 geworden», erinnert mich eine Jahrgängerin von ihr, und meinte Dorothee Sölle. Durch sie daran erinnert zu werden, bewegt mich dazu, ein wenig zu stöbern. Ich finde den Hinweis, dass an Sölles Beerdigung «Geh aus, mein Herz» gesungen worden sei, weil es für sie ein mystisches Lied war. Aus sich heraus sollen die Menschen gehen, in Gott hinein:

Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd' ein guter Baum
und lass mich Wurzel treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm,
ich deines Gartens schöne Blum'
und Pflanze möge bleiben.

Diese mutige und prophetische Theologin habe die Vergänglichkeit der Menschen angenommen und vom ewigen Leben geschwiegen. Es habe ihr genügt, dass Gott ewig ist. So habe sie in ihrem letzten Gespräch mit Fulbert, ihrem Mann, in Bad Boll gefragt: «Lässt sich nicht eine Geborgenheit denken, die nicht in meiner Weiterexistenz liegt, wohl aber in Gottes Weiterexistenz? Ich in dir, du in mir, niemand kann uns scheiden – reicht das nicht?»

Mir kommt dabei ein alter Mann in den Sinn, den ich begleite. Ab und zu sagt er, dass er nicht verstehe, was mit ihm los sei und er das Gefühl habe, sich abhandenzukommen. Im Laufe der Begegnungen erlebe ich allerdings immer wieder, wie er wach und geistesgegenwärtig wird. Einmal habe ich ein paar Zeilen eines Gebetes von Antje Sabine Nägeli in unser Gespräch eingebracht, und er hat es selbst weitergeführt: «Gott gib uns die Kraft, wieder zu dem zu finden, was wir geglaubt haben: dass wir dich uns Hilfe sein lassen; dass wir dir Platz lassen ...» Darüber staunend lande ich meinerseits wieder bei der erwähnten Bitte:

Erinnere mich Gott,
dass mir nicht verloren gehe,
was meine Seele weiss.

Ganz überrascht merke ich, dass mir dieses Erinnern wie ein Adventslicht ist.

Pfrn. Ingrid Zürcher, ref. Seelsorgerin

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