Regierungsrätin und Kirchendirektorin Evi Allemann. Alle Fotos: Pia Neuenschwander

Berner Bär sagt leise Adieu

600 Kantonsangestellte wechseln zu den Landeskirchen

In einer Feier im Berner Münster hat sich der Kanton Bern, vertreten durch Regierungsrätin und Kirchendirektorin Evi Allemann, von den rund 600 kirchlichen Angestellten verabschiedet. Diese werden künftig von den Landeskirchen direkt angestellt.

Von Andreas Krummenacher

Der Kanton Bern rief zum letzten Mal seine Seelsorger*innen zusammen, sie folgten dem Ruf und füllten das Münster. Der Posaunenchor stimmte ein grosses Loblied an, um die Worte von Regierungsrätin Evi Allemann zu unterstreichen, dass hier kein administrativer Akt vonstatten ging, sondern «ein historischer Moment und der Anfang einer neuen Partnerschaft.»

Als Übergabefeier war der Anlass betitelt und übergeben wurden schliesslich viele Dankesworte, grosse Reden, hölzerne Kugeln und viel Pathos. Wann, wenn nicht an einem solchen Anlass. Der Rahmen, das Thema, die anwesenden Persönlichkeiten, das Posaunenensemble – alles war ausgerichtet auf eine emphatische, eindringliche Feier.

Nun kann man das lächerlich finden oder irrelevant oder übertrieben und selbstbeweihräuchernd. Blickt man aber auch nur mit einem Auge auf die Geschichte, dann sind solche bewusst inszenierten Feierlichkeiten für ein Gemeinwesen und die in ihm engagierten Personen von einiger Bedeutung. Diese Themen reichen über den individuellen Ereignishorizont hinaus, betten ein in ein grosses Ganzes.

Worum es geht

Hintergrund der Feierlichkeit bildet der Abschluss des langen und bisweilen schwierigen Loslösungsprozesses der Kirchen vom Kanton Bern. Politik und Kirchen sprechen von einer «behutsamen Entflechtung». Bislang waren die Pfarrpersonen und Gemeindeleitenden Kantonsangestellte. Nach heftigen politischen Diskussionen, vielen Vorstössen und parlamentarischen Interpellationen wurde schliesslich beschlossen, dass Pfarrpersonen künftig von den Landeskirchen direkt angestellt werden. Ab 1. Januar 2020 ist es soweit.

In einer ersten Phase bis 2026 bezahlt der Kanton weiterhin die Löhne. Für die evangelisch-reformierte Kirche gibt es 60 Millionen, für die römisch-katholische Kirche 12 Millionen, für die christkatholische Kirche 470'000 Franken und auch der einzige Rabbiner wird entsprechend entschädigt.

Die Kirchen müssen sich beweisen. Sie müssen darlegen, dass sie ihr Geld wert sind. Denn die Höhe der Beiträge wird in einer zweiten Phase an den gesamtgesellschaftlichen Leistungen gemessen und auch die historischen Rechtstitel werden entschädigt.

Römisch-katholische Teilnahme

Von katholischer Seite nahmen Heinrich Gisler, Synodalratspräsident und Edith Rey-Kühntopf, Regionalverantwortliche des Bistumsregion St. Verena, aktiv an der Feier teil. Mit Wortbeiträgen und Gebeten. Für Heinrich Gisler war es nach eigenen Angaben ein «Feiertag». Grund dafür sei, dass man von Anfang an positiv eingestellt gewesen sei. «Wir waren mit dem Kanton nicht immer ganz zufrieden. Das katholische Baby habe vielleicht etwas weniger Haare, nichtsdestotrotz sei man stolze Eltern», so Gisler weiter. Nun «sind aber die Hausaufgaben gemacht. Wir sind bereit, uns der neuen Verantwortung zu stellen.» Der Kanton Bern sei ein guter Arbeitgeber gewesen, «unser Ziel ist es, ein mindestens ebenso guter Arbeitgeber zu sein», sagte Heinrich Gisler zum Schluss

Edith Rey-Kühntopf vertrat die Seelsorgenden an der Feier. Sie lobte den Beauftragten für kirchliche Angelegenheiten des Kantons Bern, Martin Koelbing. Er erhielt überhaupt während des ganzen Abends viele Komplimente und Dankesbekundungen. Koelbing geht Ende Jahr in Pension. Er sei immer sehr respektvoll mit den katholischen Eigenheiten umgegangen. Was denn das für Eigenheiten gewesen seien, wollte Moderatorin Sonja Hasler wissen. In ihrer Antwort verwies Edith Rey beispielsweise auf die Rolle des Bischofs. All das aber sei letztlich gar nicht entscheiden. Viel wichtiger sei die Rolle der Kirche. Diese müsse an den Rand gehen. Hier zeige sich ihr wahres Gesicht, entweder trage dieses oder dann eben nicht.

Geschichtliche Einordnung

Der Kanton übernahm die Verantwortung für die Pfarrer und auch für «seine» Kirche einerseits 1528 als sich Bern der Reformation anschloss, andererseits 1804 als die Kirchengüter komplett ins Staatvermögen überführt wurden.

Die römisch-katholische Kirche kann hier partizipieren. Bis 1864 gehörte der alte Teil des Kantons Bern, also die Gebiete links der Aare zum Bistum Lausanne. Nachdem Napoleon Europa durcheinanderwirbelte und 1815 bei Waterloo seine endgültige Niederlage einstecken musste, wurde am sogenannten Wiener Kongress die europäische Karte mit den Grenzen der Nationalstaaten neu gezeichnet.

Der grösste Teil des ehemaligen Fürstbistums Basel wurden damals zum Kanton Bern geschlagen. Die Verhältnisse waren im Fluss, der Entscheid wurde nicht vollumfänglich umgesetzt. 1827 beschloss der Grosse Rat, dass nur der Jura dem neuen Bistum Basel angeschlossen werden sollte. Ab da ist die römisch-katholische Kirche im neuen Kantonsteil öffentlich-rechtlich anerkannt. Für den grossen Rest des Kantons, den alten Kantonsteil also, sollte dieser Prozess offiziell noch bis 1893 dauern. Dann nämlich heisst es in der neuen Staatsverfassung des Kantons Bern, die römisch-katholische Kirche sei eine «anerkannte Landeskirche». Schon vorher wurden die Pfarrer vom Kanton besoldet, übrigens auch der Bischof.

Eine neue Ära

Evi Allemann machte an der Übergabefeier klar, dass eine Ära zu Ende gehe. Sie bezog es mehr noch auf die reformierte Landeskirche. Diese sei doch eng mit dem Kanton verbunden, die Pfarrer gehörten zur Obrigkeit, waren Repräsentanten des Kantons.

Diese Zeiten seien vorbei. Nun beginne eine neue Partnerschaft, den Umständen angepasst. Nicht nur die Kirchen seien wichtige gesellschaftliche Akteure, sondern auch andere Religionsgemeinschaften oder Freikirchen. Man wolle ein religionspolitisches Monitoring installieren und anschauen, wie die Religionslandschaft im Kanton Bern effektiv aussehe.

Eine offene und runde Kirche

Mit der Übergabe der 600 Dienstverhältnisse an die Landeskirchen würden diese Verantwortung für ihr Personal übernehmen aber auch Freiheit gewinnen. Und schliesslich: ändern würden sich nur die Dienstverhältnisse, nicht aber die eigentlichen Aufgaben der Seelsorger*innen.

Übergeben wurden dann Holzkugeln. Grössere und kleinere – je nach Grösse der jeweiligen Kirche. Evi Allemann: «Diese sollen die beiden Pole des Engagements und der Arbeit der Kirchen symbolisieren. Das Ruhende, Ewige, In-sich-Geschlossene und gleichzeitig das Bewegte, das Bewegende, das Vorantreibende, sich Weiterbewegende und vielleicht auch Vorangehende.» Sie wünsche sich, so die Kirchendirektorin, offene Kirchen, die sich in der Welt gesellschaftlichen Fragen annehmen würden, «die in Bewegung bleiben und sich auch bewegen lassen, von unserer Zeit, von den Menschen, von den grossen Fragen».

 

 

 

 

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