Lorenz Marti, «Der innere Kompass. Was uns ausmacht und was wirklich zählt», Herder 2017, 192 Seiten, Fr. 26.90

Buch: Lorenz Marti

Der innere Kompass

Die Frage lässt uns nicht los. Die Frage nach dem Sinn, nach dem Mehr des Lebens. Religion, Philosophie, Persönlichkeitsentwicklung, Glaube, Ideologien liefern Antworten, die meist wieder nur zu Fragen werden.

Selbst Jesus Jesus aus Nazaret blieb am Schluss seines sinnstiftenden Lebens die Frage nicht erspart: «Warum hast Du mich verlassen?» In freien, unbeschwerten Stunden kommen Fragen auf. Der Frage nach dem Mehr des Lebens begegnet der Mensch zum Beispiel gerne, das kennen wir alle, während eines Spaziergangs am Meer.
Was bleibt, wenn alles Äussere wegfällt? Was ist der Kern, der Sinn der Existenz? Im rollenden Wellenklang am Strand fragt der Spazierende nach individuellem Lebensentwurf und persönlicher Verantwortung. Im neuen Buch von Lorenz Marti ist es der Existenzphilosoph Karl Jaspers (1883–1969), der im Sand spazieren geht und als innerer Kompass der Gedankengänge dient.

Lorenz Marti verbindet in gewohnter und inspirierender Art «neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit alten spirituellen Einsichten». So urteilt der Starpsychiater Daniel Hell über das Buch. In kurzen, leicht lesbaren Kapiteln lässt uns Marti über uns selbst, über Literatur, Gedanken, über Fragezeichen unserer Existenz, Glauben und Wissen nachdenken. Immer wieder, zwischendurch, flanieren die Lesenden entspannt mit Jaspers barfuss durch den Sand. Der alte Philosoph schaut einer Möwe zu, die mit dem Wind tanzt und zitiert, vielleicht etwas eitel, einen seiner schönen Sätze: «Alles, was in uns Gewicht hat, ist im Ursprung Liebe. In ihr sind wir, was wir eigentlich sind.»

Natürlich, nach der Lektüre bleiben Fragen. Aber jetzt «in einem weiten offenen Horizont». Das Mehr des Lebens wird spürbar.

Jürg Meienberg

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