Jasmin El Sonbati, Gehört der Islam zur
Schweiz? Persönliche Standortbestimmung
einer Muslimin, Zytglogge Verlag, Basel
2016, 256 Seiten, Fr. 29.–

Buchbesprechung - Gehört der Islam zur Schweiz?

"Wir müssen uns entstauben!", schreibt Jasmina El Sonbati in ihrem Buch und fordert dringend humanistische Werte, um das Leben lebenswert zu machen.

Wir müssen uns entstauben!
"Gehört der Islam zur Schweiz?" ist das zweite Buch der Autorin, Journalistin und Gymnasiallehrerin Jasmin E Sonbati. Die in Wien geborene Muslimin verbrachte ihre frühe Kindheit in Ägypten. Seit den 1970er Jahren lebt sie in Basel. Sie ist Mitbegründerin des Vereins "Forum für einen fortschrittlichen Isalm". Jasmin El Sonbati ist Mitglied im Redaktionsteam der interreligiösen Zeitung "zVisite" und war auch schon Kolumnistin für das "pfarrblatt".

In einer Tour d'Horizon der Debatten und Ereignisse der letzten Jahre zu islamisch-arabischen Themen legt Jasmin El Sonbati ein sehr persönliches Sachbuch vor. Syrien, der IS, die Schweizer Dschihadisten, die Flüchtlingsströme, der arabische Frühling, der Fremdenhass, die Kölner Silvesternacht, Anschläge, Karikaturen, Provokationen, Islamfeindlichkeit. Es passiert einiges und ist einiges passiert.
Jasmin El Sonbati rollt die Ereignisse noch einmal auf, verknüpft sie mit ganz persönlichen Erlebnissen, Anekdoten und der eigenen, spannenden Familiengeschichte. Sie wirft dabei historische und theologische Schlaglichter auf die innerislamische Diskussion. Es sind mehr als nur "Plaudereien beim Apertitif", wie sie es an einer Stelle einmal nennt. Es geht um die Angst vor und um den Islam. Die Erkenntnisse sind erhellend und liefern Impulse für beispielsweise eine zeitgemässe Auslegung des Koran. Jasmin El Sonbati gelingt es in einer verständlichen, sehr einnehmenden Sprache und Erzählweise die verschiedenen Ausprägungen des Islamzu erklären und die aktuellen Weltereignisse einzuordnen.

Sie macht das sehr oft anekdotisch-journalistisch, dennoch fundiert und überaus differenziert. Es gelingt ihr, allfällige Hysterie komplett zu entschärfen, indem sie beispielsweise Kontinuitäten in der Reformdiskussion aufzeigen kann. Wenn Sie ausserdem Erlebnisse schildert, die sie auf ihren Reisen im arabischen Raum oder mit ihren Cousins und Cousinen in Ägypten gemacht hat, beginnt man plötzlich zu verstehen und kann daher einordnen. Dieser private Zugang liest sich lebensnah, spannend, informativ - man will das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.
Immer wieder erzählt die Autorin von Musliminnen und Muslimen in der Schweiz, von ihren je eigenen und idividuellen Lebensentwürfen. Sie lädt diese Menschen zu sich ein und spricht mit ihnen. Dadurch wird die grosse Vielfalt islamischen Lebens sichtbar. Am Ende sind wir einfach nur Menschen und nicht Muslime oder Christen. Eine banale, aber wichtige Erkenntnis. Jasmin El Sonbati lehnt jede Pauschalisierung ab. Bei aller Differenziertheit lässt sie aber eine klare Haltung erkennen. Sie will eine konsequente Trennung von Staat und Religion, eine säkulare Ordnung - die aber religiöse wie auch nichtreligiöse Bekenntnisse schützt. Sie will eine Reform des Islam, fordert gleichzeitig - im Sinne einer aufgeklärten Haltung - Respekt vor Menschen ein, die sich beispielsweise für ein sehr konsequentes religiöses Leben entschieden haben.

Für die Irritationen, welche der verweigerte Handschlag auslösen kann, hat sie Verständnis. Die Lösung sieht sie in einer auf Konzilianz basierenden Gesprächskultur, wie man sie in der Schweiz schon in der Schule lernen würde. Auch ruft sie in Erinnerung, dass die fortschrittliche Schweiz nicht auf dem rechten Rand gewachsen sei. Imame fordert sie gleichzeitig auf, die Botschaft des Islam in Übereinstimmung mit der schweizerischen Verfassung zu interpretieren. Sie will eine zeitgemässe Lesart des Koran und kann historisch-kritisch zeigen, dass das islam theologisch problemlos möglich wäre. "Wir müssen uns entstauben!", schreibt sie an einer Stelle. "Der Islam", so Jasmina El Sonbati weiter, "soll eine spirituelle Erbauung für das Individuum bieten, seine politische Dimension aber ist abzulegen", wir würden sie nicht mehr brauchen. Was wir dringend bräuchten, seien humanistische Werte, um das Leben lebenswert zu machen. "Fi riait allah" - Möge Gott dich schützen!

Andreas Krummenacher

Hinweis: Lesen Sie auch die neue «zVisite»

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