Pater Ruedi Hüppi unterwegs. Foto: Pia Neuenschwander

Das Ende einer Ära

Ruedi Hüppi, der letzte Berner Schönstatt-Pater: ein Porträt

Seit 1969 wirken vier Schönstatt-Patres in der Berner Gemeindepastoral sowie in der Jugend-, Spital- und Gefangenenseelsorge mit. Ende September wird diese katholische Priestergemeinschaft nun aufgelöst.

Von Anouk Hiedl

Vor 44 Jahren wurde der Diakon Ruedi Hüppi für Missionsarbeit nach Mutumba im ostafrikanischen Burundi geschickt. «Aus dem ehemaligen diözesanen Seminar, das in die damalige Hauptstadt Bujumbura verlegt wurde, haben die weissen Väter unsere Katechistenschule für erwachsene Männer gemacht, die einzige im ganzen Land. Vor Ort herrschte ein religiöser Durst. Das ist uns entgegengekommen», erinnert sich der heute 76-jährige Schönstattpater im Sitzungszimmer der Dachwohnung, die er seit sechs Jahren mit drei weiteren Patres teilt – geteilt hat.

«Josef Gürber besuche ich seit Mitte 2018 so oft wie möglich im Altersheim. Roland Stuber und Toni Eicher sind dieses Jahr gestorben», so Pater Hüppi. «Als wir noch alle hier wohnten, trafen wir uns jeweils zum Morgengebet und frühstückten zusammen. Danach ging jeder seiner Arbeit nach, in der Pfarrei, im Spital oder an einer Versammlung. Meist sahen wir uns beim Zmittag wieder, das unsere Haushälterin für uns zubereitet hat.» Das gemeinsame Abendgebet sei mit der Zeit verschwunden, da oft zu viele der vier Patres noch unterwegs waren.

«In letzter Zeit habe ich für die Gemeinschaft mehr Kräfte gebraucht als für die Pfarreien», sagt Hüppi. Ende September wird die langjährige Priester-WG am Berner Frohbergweg offiziell aufgelöst. Nebst den priesterlichen Arbeiten im Raum Bern wird Pater Hüppi das Inventar der Wohngemeinschaft in Absprache mit Pater Gürber sortieren und in Kartons packen. Wohin ihn der Umzug führen wird, ist noch offen.

Afrika im Herzen

Ruedi Hüppi schaut auf die Büchergestelle im Raum und blickt wieder zurück. Als frischgebackener 32-jähriger Theologe habe er in Burundi schnell Französisch und Kirundi gelernt, auch von den Kindern. In den 70er und 80er Jahren wurden die Christen im Land verfolgt. Das erlebte er hautnah mit. Hüppi half beim Bau eines Brunnens mit und vermittelte später Know-how zur Planung von Leitungen für sauberes Wasser. «Ich hatte viele Freunde bei den Gläubigen, den Rebellen und im Militär. So bekam ich Infos von beiden Seiten. Wenn ich von geplanten Anschlägen erfuhr, warnte ich die Bewohner vorher. Das hat Leben gerettet.» 1993 brach ein Bürgerkrieg im Land aus.

Hüppi blieb. «Die Mittelschule für Mädchen, die ich 1996 errichtete, wurde direkt nach der Einweihung zerstört. Da bauten wir sie halt wieder auf», meint er trocken. «Burundi war meine erste grosse Liebe. Angst hatte ich nie.» Doch er wusste zu viel. 1997 wurde ein Attentat auf ihn verübt. «Es traf einen Anderen, einen befreundeten Informatiker, auch er von der Schönstatt-Bewegung.» Nach 22 Jahren in Ostafrika kehrte Ruedi Hüppi dann doch nach Europa zurück. Er arbeitete im Generalat der Schönstatt-Patres und für die Belange der Mission in Indien und Südamerika. «Ich habe das Glück, mich überall schnell heimisch zu fühlen. Das hat auch mit meiner ersten grossen Liebe zu tun,» sagt er, und in seinem Gesicht geht die Sonne auf.

Mit den Menschen unterwegs

Nach seiner Lehre als Landschafts-, Obstbau- und Baumschulgärtner begann Hüppi die Spätberufenenschule in Ebikon. Dort lernte er die Schönstatt-Bewegung kennen. Ihre Mitglieder achten auf die Zeichen Gottes und versuchen, mutig auf seine Wünsche einzugehen. Auf ihrer «Spurensuche» lernen sie, die Zeichen der Zeit in Dingen, Ereignissen und Begegnungen neu zu lesen. Die Schönstatt-Bewegung führt dazu «alle apostolischen Kräfte zusammen» und umfasst verschiedene autonome Gruppierungen. Weltliche Bünde und Ligen sowie geistliche Verbände setzen sich international und ökumenisch für eine christliche Gesellschaftsordnung ein und bauen, nach dem Vorbild der Gottesmutter Maria, an einer Kultur der Liebe mit.

Zur Fotogalerie: Ein Tag unterwegs mit Ruedi Hüppi

Ruedi Hüppi richtet sein Leben nach diesen Ideen auf Gott hin aus. Als Schönstatt-Pater legte er dazu kein ewiges Gelübde ab, sondern empfing 1976 Bilderdie in der säkularen Bewegung übliche Vertragsweihe. Diese hat er bis heute nicht gekündigt.

Die Anzahl Christen in einer Region beeinflusse den Austausch und die Beziehungen untereinander stark, sagt der Schönstatt-Pater. «In Bern habe ich ganz andere Aufgaben als in Afrika. Doch ich habe die Leute hier auch gern.» Während er früher viel mit Jugendlichen arbeitete, ist er heute für Senioren, in der Spitalseelsorge und in «seinen» Pfarreien der Region Bern unterwegs. Gottesdienste und Sakramentsspenden sind ihm am liebsten. Und ja, Priester nehme man heute anders wahr als früher. Manchmal müsse er sich aufgrund der Missbrauchsskandale fast für sein Priestersein entschuldigen.

«Als Kind bin ich selber nirgends so geprügelt worden wie in der Kirche, auch prophylaktisch.» Jahre später habe sein Pfarrer Gewissensbisse gehabt. «Vor meiner Primiz gab er mir 500 Franken für Burundi»,erinnert sich Hüppi und fährt fort: «Früher mussten die Kinder wie Erwachsene sein. Trotzdem hat man ihnen mit Prügeln die Würde genommen.» Als er mitbekam, dass in der Primar schule in Mutumba geprügelt wurde, reagierte er: «Ich schärfte den Lehrern ein, sofort damit aufzuhören. An dieser Schule dürfe niemand geschlagen werden. Sonst würde ich ihnen die kirchlichen Unterrichtsräume entziehen.»

Nun ist Ruedi Hüppi der letzte Berner Schönstatt-Pater im Amt. In der langjährigen Priester-WG wird er Ende September das Licht löschen. Seiner Berufung folgte er mit 19 Jahren. Für seine Zeit war das spät. Wie auch immer, Pater Hüppi bringt die Ausdauer und Geduld eines Gärtners mit, damit die Früchte seiner Arbeit wachsen.

Was ist Schönstatt?
Die Schönstatt-Gemeinschaft ist ein Säkularinstitut. Ihre Mitglieder sind flexibel in der Lebens- und Arbeitsform und legen keine Gelübde ab. Schönstatt-Patres können gemeinsam oder alleine leben und arbeiten. Sie sind oft in der Gemeindepastoral oder Seelsorge tätig. Die Schönstatt-Gemeinschaft steht oft im Dienst von Pfarreien und Bistümern und kann eigene Häuser und Werke unterhalten, etwa religiöse Zentren, Missionen, Schulen oder Verlage.
www.schoenstatt.ch

Der Entwicklungshelfer
Pater Ruedi Hüppi (76) entdeckte die Schönstatt-Bewegung als Spätberufener. 1975 ging er als Diakon, Missionar und Entwicklungshelfer ins zentralafrikanische Burundi. Für seine Priesterweihe kehrte er 1976 kurz in die Schweiz zurück und blieb dann weiterhin als Schönstatt-Pater in Burundi. Nach einem missglückten Attentat auf ihn kehrte er 1997 nach Europa zurück und war vor allem in der Schweiz und in Deutschland tätig. Seit 2013 arbeitet Hüppi in Bern und wohnt noch bis Ende September in der Priester-WG am Frohbergweg.

Die Berner Schönstatt-Patres im «pfarrblatt»

Der Menschenfreund: Pater Josef Gürber, 96, wohnt seit Juni 2018 in einem Berner Altersheim.

NACHRUFE

Der SchuhmacherPater Anton Eicher (1934–2019)

Der «15. Nothelfer»Pater Roland Stuber (1928–2019)

Pater Josef Gürber gestorben (+2020)

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