Patrick Huser war Benediktinermönch in Engelberg und Rom. 2011 wird er als Delegierter für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz im Ausland unterwegs sein.

Das Undenkbare aussprechen

Patrick Huser

Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, / ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, / dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
Psalm 23,4

Es gab eine Zeit, da haben mir diese Worte das gegeben, was man «Halt» nennt. Es war der Gedanken ans «Du», das mir zur Seite steht, wenn ich durch die «Täler der Finsternis» meines Lebens wandle. Inzwischen hat sich mein Ergriffensein von dieser biblischen Zusage gewandelt.
Während meiner Zeit bei der UNO sah ich, wie Palästinenser Hals über Kopf aus dem Irak nach Syrien flüchten mussten. Sie hatten alles verloren und bangten ums schiere Überleben. Einige von ihnen verliessen das «finstere Tal» nie und starben einsam und verzweifelt in der Wüste. In diesem Moment zu sagen – oder auch nur zu hoffen! – dass sie jetzt bei Gott «aufgehoben » seinen, erscheint mir zynisch. Oder höchstens als denkerischen Trick für uns, die wir weiterleben müssen und nicht wissen, wie wir mit menschlichen Absurditäten umgehen sollen.
Aber dies ist nicht die eigentliche Absicht des Psalmverses. So wurde das «Du bist bei mir» für mich zu etwas «Undenkbarem». Der Psalmist spricht für mich Unvorstellbares aus. Und ob das Undenkbare bzw. Unvorstellbare auch etwas Unmögliches ist, darüber kann ich momentan nichts sagen. Was bleibt, ist die Erinnerung ans einstige «Ergriffensein».
Auch wenn mich meine Erfahrungen eines Widersprechenden belehren, bleibt es als eine Sehnsucht weckende Vermutung. Vielleicht wird aus der Vermutung wieder Zusage, oder aber sie wird ins Mythische übergehen und dann einfach eine menschliche Überlebensstrategie sein, um sich im «finstern Tal» zurechtzufinden.

 

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