Chor der französischen Kirch Bern.

«Der Chor muss ein spiritueller Ort bleiben»

Was soll mit dem Chor der französischen Kirche Bern passieren?

Der Chor der Französischen Kirche in Bern wirkt mit seinen weissen Wänden und transparenten Fenstern kahl. Die Verantwortlichen tragen sich mit der Idee von farbigen Scheiben. An einem Podium Anfang März diskutierten Kirchenvertreter auf dem Podium mit Expertinnen und Experten über Visionen.

Von Hannah Einhaus

«Nachhaltig», «spirituell», «ganzheitlich», «kein Strohfeuer» – diese Worte fielen wiederholt bei der Diskussion, wie die Französische Kirche mit ihrem im Jahr 1991 restaurierten Chor umgehen soll. Damals erhielt dieser Teil der ehemaligen Dominikanerkirche aus dem 13. Jahrhundert seine ursprüngliche, gotische Form zurück. Ein hoher weisser Raum ist entstanden, Relikte aus 700 Jahren von Umnutzungen wurden entfernt.

Aus der jüngeren Zeit sind lediglich die Jugendstil-Fenster aus dem Jahr 1912 geblieben, die mit ihren farblosen Scheiben und geometrischen Mustern zusätzlich zum schlichten Auftritt des Raumes beitragen. Seit der Renovation von 1991 sei jedoch der Zweck dieses Kirchenteils unklar geblieben, heisst es in der Einladung zu diesem Diskussionsabend.

Durch die fehlenden dekorativen Elemente sei der Chor nicht einladend, auch nicht für ein stilles Gebet. Was also tun, um dem Raum mehr Leben einzuhauchen? Diese Frage stand Anfang März im Zentrum eines Podiums, zu der die Gemeinde der heute reformierten Französischen Kirche im Berner Stadtzentrum eingeladen hatte. Zur Diskussion stand unter anderem die Idee von bunten Scheiben.

Zwischen Neuschöpfen und Erhalten

«Es ist schwierig, sich hier wohl zu fühlen», räumte Pfarrer Olivier Schopfer zu Beginn der Veranstaltung ein. Der Raum wirke unvollständig, manche Besucher wagten nicht einzutreten, und infolge der Resonanz verstünden sich die Menschen oft kaum untereinander. Schopfer plädierte daher für eine mehrfache und mehrschichtige Nutzung des Chors, der als heute leerer, restaurierter Raum dazu eine Chance biete. Skizzen von bunten Fenstern zeugten davon, dass sich die Gemeinde seit längerem mit dieser Idee auseinandersetzt.

Es überrascht daher nicht, dass auf dem Podium mit dem Titel «Neuschöpfen oder Erhalten» der Glasfensterexperte Stefan Trümpler sass, langjähriger Direktor des Vitromusée in Romont. Mit Hans Ulrich Glarner war das kantonale Amt für Kultur vertreten, mit Nina Zimmer das Kunstmuseum Bern. Käthi La Roche, ehemals Pfarrerin des Zürcher Grossmünsters, sprach über ihre Erfahrungen, wie Kirchenräume auf Besucher*innen wirken. Im Zentrum stand der Balanceakt zwischen Erhalten und Erneuern, zwischen reinem Restaurieren und lebendigem Bauen.

«Die Kirche muss von innen getragen werden»

Die Fenster könne man nur aus ihrer Baugeschichte verstehen, so der Glasfensterexperte Trümpler. Mauern und Fensterformen seien nun nach ursprünglichen Plänen wiederhergestellt, und die Dominikaner hatten tatsächlich bunte Fenster. Trümpler plädierte aber für den Erhalt der heutigen Jugendstilfenster aus dem Jahr 1912, welche sich noch in einem guten Zustand befänden und kein Argument für eine Neugestaltung böten. Man müsse den ganzen Raum denken, konstatierte Glarner.

Ein spiritueller Ort müsse dieser Chor bleiben, forderte Käthi La Roche aus Zürich. Nina Zimmer hakte nach: «Die Kirche muss von innen getragen werden, radikal und ganzheitlich von heute aus. Sie darf nicht nur als Attraktion im Reiseführer ihre Legitimation finden.» Die ganze Kultur sei von der Kirche geprägt; dies heute angemessen zu gestalten, sei anspruchsvoll. Anhand einer Reihe von anderen europäischen Beispielen betonte sie, dass neben den Fenstern auch die Wirkung von Möbeln und Echo Teil der Planung sein müssten.

Käthi La Roche zog eine positive Bilanz bei den modernen bunten Scheiben des Künstlers Sigmar Polke im Zürcher Grossmünster. «Der Raum soll sprechen», sagte sie. «In einem Kühlschrank kann man nicht beten, auch wenn Protestanten in der Regel das Gegenteil sagen.»

Aus dem Publikum erntete ein Mann Applaus, der wie Glarner darauf hinwies, erst den ganzen Raum neu zu denken, und zwar nicht nur mit der Einschränkung auf die Fenster. Auch die Farbigkeit der Wände – heute ein «reines Weiss» – könne viel bewirken. Der Chor der Französischen Kirche Bern hat offenbar noch einen langen Weg vor sich.

 

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