Hermann Schwarzen, ehemaliger Leiter der Pfarrei Christ-König in Biel: «Fremde haben eine erhöhtes Armutsrisiko.» Foto: zVg

«Der Umgang mit Fremden»

Zum Caritas-Bern-Sonntag

Der Caritas-Sonntag widmet sich dem Thema Zuwanderung. Hermann Schwarzen, ehemaliger Gemeindeleiter und Delegierter der Berner Dekanate im Vorstand der Caritas Bern, äussert sich zur Solidarität gegenüber Migrantinnen und Migranten, zur Wichtigkeit einer guten Integration und welchen Beitrag die Caritas Bern hierzu leistet.


Hermann Schwarzen, mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 2014 wurde das Verhältnis zwischen der Schweiz und Migrantinnen und Migranten auf eine harte Probe gestellt. Geht in der Schweiz die Solidarität mit den Einwanderern verloren?
Ich weiss nicht, ob man das so sagen kann. Bei der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative ging es ja vor allem um die Kontrolle der Zuwanderung. Solidarität hingegen bezeichnet insbesondere die Art, wie wir mit den Migrantinnen und Migranten in der Schweiz umgehen. Sind wir bereit, uns sowohl privat wie gesellschaftlich zu engagieren, damit Fremde hier anständig leben, ihre Fähigkeiten entfalten und sich integrieren können? Der Umgang mit Fremden ist auch ein biblisches Thema. Es braucht hier immer wieder Anstrengung und Mahnung, gerade auch von Seiten der Hilfswerke. Diese haben in dem Sinn eine prophetische Rolle.

Wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf bezüglich der Integration von Migrantinnen und Migranten?
Die meisten Schweizerinnen und Schweizer sind den Zuwanderern gegenüber positiv eingestellt. Aber die Probleme der Fremden, die in prekären Verhältnissen leben, der Asylsuchenden oder der Sans-Papiers, die schwarz arbeiten, werden in der Öffentlichkeit ungenügend wahrgenommen. Die Betroffenen erhalten höchstens negative Schlagzeilen.

Was kann gemacht werden, um die Situation dieser besonders armutsgefährdeten Personen zu verbessern?
Es braucht zwei Sachen. Einen guten gesetzlichen Rahmen, wobei sich dieser in den letzten Jahren tendenziell verschlechtert hat. Auf der anderen Seite braucht es, was eigentlich Auftrag der Caritas ist, nämlich eine aktive Armutsbekämpfung. Fremde haben dabei erfahrungsgemäss ein erhöhtes Armutsrisiko. Diese müssen besonders gefördert werden: sprachlich, beruflich, materiell.

Welchen Beitrag leistet hierzu die Caritas Bern?
Ein grosser Schwerpunkt liegt auf der Betreuung von anerkannten Flüchtlingen. Über das Projekt «Flic Flac» leistet Caritas Bern einen Beitrag zur beruflichen Integration. Dann gibt es das Projekt KulturLegi, das eine Teilnahme am kulturellen Leben ermöglicht. Oder das Projekt Migration und Alter, welches ältere Migrantinnen und Migranten unterstützt.

Der diesjährige Caritas-Sonntag steht unter dem Titel «Migration – Begegnungen gestalten». Was erwartet die Kirchgänger?
Das Thema des Caritas-Sonntags wird in vielen Gottesdiensten reflektiert werden. Auch wird es an den meisten Orten Kollekten geben. Allerdings sind auch diejenigen Personen, welche am Sonntag nicht in die Kirche gehen, dazu aufgerufen, die Arbeit der Caritas Bern mit einer Spende zu unterstützen. Sie leisten dadurch einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung im Kanton Bern und handeln damit im Sinne der Kirche.

Interview: Oliver Lüthi

«Herein!»
Die Caritas setzt mit dem Sozialalmanach 2015 einmal mehr einen thematisch starken Fokus auf die Zuwanderung in die Schweiz. Caritas-Direktor Hugo Fasel stellt fest, dass sich immer mehr Organisationen zu diesem Thema in Schweigen hüllen.

Die Caritas ruft zum Thema Migration «Herein!». Sie sagen umgekehrt, dass in der Schweiz zunehmend weniger und weniger sachlich über Migration gesprochen wird. Wie und wo nehmen Sie das wahr?
Hugo Fasel: Ich stelle fest, dass beispielsweise Parteien – auch neue Parteien – das Thema sehr zurückhaltend behandeln. Es fehlt ebenfalls von Seiten von Institutionen und Organisationen zunehmend die Bereitschaft, hier Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv an dieser Debatte zu beteiligen. Ganz besonders erwarte ich dies von Organisationen, welche den Begriff «liberal» im Namen tragen.

Haben Sie eine Erklärung dafür?
Vielleicht, weil damit angeblich keine Wahlen oder Sympathien zu gewinnen sind …? Sicher gibt es auch individuelle Komponenten. Die Reaktionen aus der Öffentlichkeit zu kontroversen Themen sind in den letzten Jahren sehr viel aggressiver geworden. Es scheint spürbar weniger Hemmungen mehr zu geben. Und so kommt es auch immer wieder zu offen formulierten Drohungen und Anschwärzungen.

Wie beurteilen Sie die Position der katholischen Kirche in dieser Frage?
Hier stelle ich ein sehr grosses Engagement fest. Die Aussagen von Bischof Markus Büchel als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz sind klar und deutlich, der für Migrationsfragen zuständige Bischof Charles Morerod vertritt eine klare Haltung, und die Worte des Papstes in Lampedusa lassen in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Eine weitere Aussage von Papst Franziskus scheint mir in diesem Punkt auch sehr bedeutend: Für Katholiken gibt es keine Grenzen, weil es für ihre Kirche keine Grenzen gibt. Ich ergänze für unsere Debatte: Für die Würde des Menschen gibt es keine Grenze.

Interview Martin Spilker/kath.ch


Caritas CH/Sozialalmanach 2015: «Herein. Alle(s) für die Zuwanderung»
, Luzern, Dezember 2014, 216 Seiten, 34 Franken. Bezug: Ökum.Buchandlung Voirol, Tel. 031 311 20 88

 

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