Die 7 freien Künste: Grammatik, Rhetorik und Dialektik (als Trivium, Dreiweg) sowie Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (als Quadrivium, Vierweg). Foto: Pia Neuenschwander

Die 7 freien Künste

Als das theologische und das weltliche Wissen noch im «Garten der Köstlichkeiten» zusammengefasst waren

Die strenge Ordnung des Mittelalters machte auch vor dem Bildungswesen nicht halt. Der Kanon der «Sieben freien Künste» geht auf die Antike zurück. Der Ausdruck «frei» hat viel mit der damaligen Gesellschaftsordnung zu tun.
 

Wenn man Bildungsdebatten von heute verfolgt, die sich um Bologna oder Lehrplan 21 drehen, käme einem wohl kaum der Begriff «Köstlichkeiten» in den Sinn. Ganz anders das Mittelalter. So fasste Herrard von Landsberg, die von 1167 bis 1195 Äbtissin des Klosters Odilienberg in den elsässischen Vogesen war, das theologische und weltliche Wissen ihrer Zeit unter dem Titel «Hortus deliciarum» zusammen, auf Deutsch «Garten der Köstlichkeiten». Diese erste von einer Frau geschriebene und illustrierte Enzyklopädie war nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch konkret für den Unterricht in den Klöstern gedacht. Sie machte auch den Bildungskanon der «Sieben freien Künste» zum Thema, der sich im frühen Mittelalter herausgebildet hatte. Äbtissin Herrard setzte es bildlich um – eine farbige Illustration der in einem Kreis angeordneten Künste: Sieben weibliche Allegorien mit den ihnen von alters her zugeordneten Attributen (heute würden wir das Infografik nennen).

Dass die Philosophie bei Herrad über den anderen Künsten thront, entspricht einer Sichtweise, die auf die griechische Antike zurückgeht. Neben den vier mathematischen Fächern war sie es, die nach Platon zu vernünftigem Denken und Handeln führte. Für die Ausbildung zum idealen Staatsmann war das zentral. Exakt sieben freie Künste kannten die Griechen und auch später die Römer noch nicht. Dem römischen Philosophen Seneca verdanken wir jedoch die Umschreibung dessen, was das «frei» in den «Septem artes liberales» bedeutet: «Die freien Künste werden so genannt, weil sie eines freien Menschen würdig sind.» Als frei galt jedoch nur, wer keinem Broterwerb nachgehen musste. Dementsprechend durften die Künste nichts mit einer Erwerbstätigkeit zu tun haben.

Systematisch erfasst hat «Sieben freie Künste» erstmals Martianus Capella im 5. oder frühen 6. Jahrhundert in seinem Lehrgedicht «Von der Hochzeit Merkurs und der Philologie». Darin treten die sieben Künste als Brautjungfern auf und präsentieren ihr Lehrwissen als Hochzeitsgaben, die da sind: Grammatik, Rhetorik und Dialektik (als Trivium, Dreiweg) sowie Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (als Quadrivium, Vierweg). Es sind nicht mehr und nicht weniger die Grundlagen der abendländischen Bildung.

Gelehrt wurde der Stoff der «Sieben freien Künste» ursprünglich in den Kloster- und Domschulen sowie städtischen Bildungseinrichtungen. Als die Universitäten entstanden, bildeten sie als Artistenfakultät zusammen mit Theologie, Recht und Medizin eine der vier Fakultäten des Studium Generale. Aus ihr heraus entwickelte sich später die Philosophische Fakultät, wie wir sie heute noch kennen. Und selbst die akademischen Grade wie «Bachelor» und «Magister of Arts» gehen auf sie zurück: Bestand man an der Artistenfakultät das Zwischenexamen, durfte man den Titel eines «Baccalaureus» führen, und nach erfolgreichem Abschlussexamen war man «Magister Artium».

Synes Ernst


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