Die 7 Gaben des Heiligen Geistes: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Bild: Pia Neuenschwander

Die 7 Gaben des Heiligen Geistes

Aus 6 mach 7 - 2700 Jahre überdauernde Geistesgaben

Die sieben Gaben des Heiligen Geistes gehen auf den Propheten Jesaja zurück. Bei ihm waren es allerdings nur sechs. Heute ist nur noch von sieben die Rede – fast ein sprachliches Pfingstwunder.

Von den Gaben des Geistes hat der Prophet Jesaja schon gepredigt, als von einem Heiligen Geist, dessen Hochfest wir an diesem Sonntag feiern, noch längst nicht die Rede war. Im Buch Jesaja (11, 1-2), das auf die Zeit von 740 bis 700 v. Chr. zurückgeht, ist nämlich zu lesen: «Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis empor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn ruht auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.»

Diese Reihenfolge der Geistesgaben hat mittlerweile 2700 Jahre überdauert, eine unvorstellbar lange Zeit. Schon das allein verleiht ihnen eine «natürliche» Autorität. Der heute noch geltende Katholische Katechismus hält unter Ziffer 1831 an ihr fest und bezieht sich dabei ausdrücklich auf den Propheten aus dem Alten Testament. Wer aber den Jesaja-Text mit dem Abschnitt aus dem Katechismus genau vergleicht, stösst auf einen wesentlichen Unterschied: Jesaja erwähnt sechs Geistesgaben, während es im Katechismus deren sieben sind.

Aus «Furcht des Herrn» bei Jesaja werden aufgrund verschiedener Übersetzungen des Urtextes in der christlichen Tradition «Frömmigkeit» und «Gottesfurcht». Das hatte den eleganten Nebeneffekt, dass die Gaben des Heiligen Geistes im Umfeld der göttlichen Zahl Sieben platziert und mit anderen Angehörigen der Siebner-Familie vernetzt werden konnten. So stellte die Äbtissin Herrad von Landsberg in ihrer 1180 entstandenen Enzyklopädie «Hortus Deliciarum» («Garten der Köstlichkeiten», siehe «pfarrblatt», Ausgabe 14 vom 1. April 2017) einen Bezug zwischen den Geistesgaben und den sieben freien Künsten her.
Der berühmte Kirchenlehrer Bonaventura machte in seinem Werk «Collationes de septem donis Spiritus Sancti» (1267) die sieben Gaben des Heiligen Geistes in Verbindung mit den sieben Vaterunser-Bitten und den sieben Kardinaltugenden zur Grundlage seiner christlichen Ethik.

Ein interessantes Dokument ist in unserem Zusammenhang das Gedicht des deutschen Dichters Heinrich Kaufringer «Von den sieben Todsünden und den sieben Gaben des Heiligen Geistes» aus dem 15. Jahrhundert. Darin wird der Heilige Geist als Seelenarzt beschrieben, der den Menschen geschenkt wird, damit sie sich mit dem Heilmittel der sieben Gaben von den «siben totsünt» als Krankheiten befreien können. Dass ein Laie derart komplexe theologische Überlegungen lange vor der Reformation dem Volk näherbrachte, ist nach Meinung des Bielefelder Germanisten Meinolf Schumacher ein bemerkenswerter Vorgang. Kaufringer habe seine Überlegungen wohl deshalb in Verse gefasst, weil diese Form «am wenigsten das Verkündigungsmonopol des Klerus tangierte». So habe sich der Dichter nicht dem Vorwurf ausgesetzt, er würde sich unrechtmässig kirchliche Kompetenzen anmassen.

Synes Ernst
 

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