«Wüst und wirr» war die Erde zu Beginn, doch nach sechs Tagen sah alles anders aus... Foto: Pia Neuenschwander

Die 7 Schöpfungstage

Ein chronologisch getakteter Übergang vom totalen Chaos zur gottgefälligen Ordnung.

Die Erschaffung der Welt in sieben Tagen – kaum eine andere Erzählung hat den Nimbus der Zahl Sieben und den Ruf ihrer Vollkommenheit und Göttlichkeit so geprägt wie die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments.


Jede Religion, jede Kultur hat ihren eigenen Gründungsmythos, so auch die jüdisch-christliche. «Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde», lauten die ersten Worte in der Thora und im Alten Testament (Buch Genesis, 1,1). «Wüst und wirr» war die Erde zu Beginn, doch nach sechs Tagen sah alles anders aus: Tag und Nacht, Himmel und Wasser, Wasser und Erde waren getrennt. Am Himmel leuchteten Sonne, Mond und Sterne, die Erde war fruchtbar und ernährte die Lebewesen, die sie bevölkerten. Am Schluss kam der Mensch hinzu: «Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Gottes Bild erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.»

Was bei der Lektüre des ersten Schöpfungsberichts (Genesis 1,1–2,3) auffällt – wie klar der Übergang vom totalen Chaos zur gottgefälligen Ordnung chronologisch getaktet ist. Es werde Licht, es wurde Licht, «es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag». In diesem Rhythmus geht es Schlag auf Schlag weiter bis hin zum siebten Tag, dem von Gott gesegneten und geheiligten Ruhetag.
Die Genesis erklärt nicht wissenschaftlich, wie die Welt entstanden ist. Das will sie auch nicht, obwohl Kreationisten das Gegenteil behaupten. Sie ist vielmehr eine metaphorische Erzählung, die den Leserinnen und Lesern zeigen soll, dass die Schöpfung dem Willen und der Vernunft eines einzigen Gottes entspricht. Damit grenzt sie sich von anderen Entstehungsmythen der Zeit ab, namentlich den babylonischen, und stiftet Identität: Wer das auch so sieht, gehört zum auserwählten Volk.

Wie alle grossen Geschichten, hat auch die Schöpfungsgeschichte die Fantasie von Künstlern angeregt. Erwähnt seien hier nur die weltberühmte «Erschaffung Adams» in Michel- angelos Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle (1512) oder Joseph Haydns Oratorium «Die Schöpfung» (1798), das bis heute einen festen Platz in den Konzertkalendern behauptet. Mit dem Yello-Gründungsmitglied Carlos Perón wagte sich auch ein Musiker unserer Zeit an den faszinierenden Stoff. Er veröffentlichte 1985 das Oratorium «Die Schöpfung der Welt oder 7 Tage Gottes».

Der Sieben-Tage- oder Wochen-Takt ist tief im Bewusstsein der Menschheit verankert. Wenn sich ein derart gewaltiges Ereignis wie die Erschaffung der Welt exakt in diesem Zeitraum abspielt, hinterlässt das seine Spuren. Allerdings sind der oder die Urheber der Schöpfungsgeschichte nicht zufällig auf die Siebenzahl gekommen, sondern taten dies im Rückgriff auf den noch älteren Mythos um die göttliche Zahl Sieben. Schon die Sumerer hatten ihre Zeit mit Blick auf den Gang des Mondes und der Zahl der Planeten in Blöcke zu je sieben Tagen aufgeteilt. Diese Gliederung hat Jahrtausende überstanden, auch revolutionäre Angriffe. So hatten es Frankreich von 1792 bis 1806 mit einer Zehn- Tage-Woche und die Sowjetunion von 1929 bis 1940 mit einer Fünf-Tage-Woche versucht. Erfolglos.

Synes Ernst


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