Endlich versöhnt, befreit, voller Vertrauen. Keine Lieblosigkeit mehr, keine Verzweiflung. Foto: fotolia

Die Beichte neu aufgelegt

Mit dem Versöhnungsweg ins Vertrauen hineinwachsen. Eine Veranstaltung in Bern-West.

Das Sakrament der Beichte hat in der Geschichte viele Formen gekannt. Heute sind Versöhnungswege aktuell. Bettina Kustner und Katrin Schulze über ein neues Verständnis des Busssakramentes, das auch nach einem neuen Zugang zum Sündenbegriff und zum Schuldverständnis verlangt.

Schuld und Sünde, Sünde und Schuld – egal wie herum man die beiden Begriffe dreht, scheinen sie untrennbar miteinander verbunden zu sein. Im Alltag findet der Begriff Sünde nach wie vor seinen Platz, wie z.B. der Verkehrssünder oder die Aussage «Kann denn Liebe Sünde sein?». Ansonsten wird der Begriff vor allem im religiösen Kontext verwendet. Wenn in liturgischen Feiern oder biblischen Texten von Sünde oder gar vom sündigen Menschen gesprochen wird, regt sich bei den Hörenden ein innerer Widerstand. Ich sündige doch nicht! Der Begriff Sünde ist nämlich auch heute noch an die Vorstellung des Bösen gekoppelt.
Früher galt der Teufel als das personifizierte Böse. Mit der «Abschaffung des Teufels» allerdings wurde auch das Böse gleich mitentsorgt. Die Unbegreiflichkeit, das Geheimnisvolle und Abgründige des Bösen aber kommt täglich mit der Zeitung, durch das Fernsehen oder über Social Media in die Wohnzimmer. Missbrauch, Terror, Gewalt und Ausbeutung, Ausdrucksweisen des abgründig unverständlich Bösen sind in der Welt des 21. Jahrhunderts allgegenwärtig. Und wer steckt dahinter? Nicht etwa der Teufel als Inbegriff des Bösen, sondern die Menschen selbst. Handelt der Mensch auf diese Weise, macht er sich schuldig.

Eine unfrei machende Macht

Die Frage ist, was genau den Menschen schuldig werden lässt. Grundsätzlich scheint es sich bei der Sünde um eine den Menschen unfrei machende Macht zu handeln, der sich der Mensch immer wieder stellen muss. Was ist also vor der Schuld, vor der Tat des Menschen, die ihn zum Schuldigen macht? Dazu lohnt es sich die Erbsündenlehre in den Blick zu nehmen und daraufhin zu prüfen, wie sie für eine zeitgemässe Sündenlehre fruchtbar gemacht werden kann. In der Lehre der katholischen Kirche ist jeder Mensch von Geburt an mit der Erbsünde belastet. Die Schwierigkeiten dieser Lehre sind in den vergangen Jahrhunderten immer wieder diskutiert worden und zeigen, dass der gängige Sündenbegriff zu kurz greift. Wenn nämlich Sünde mit Schuld identifiziert wird, ist es schwierig, die Lehre von der Erbschuld plausibel zu machen.
Schuld als moralische Bestimmung setzt Verantwortung voraus. Man kann aber nicht für eine Schuld verantwortlich sein, die vererbt ist.

Ausgehend von der Geschichte des Sündenfalls lässt sich ein neuer Sündenbegriff entwickeln. Ein Missverständnis in der Nacherzählung dieser Geschichte ist, dass die Schlange mit dem Teufel identifiziert wird. Dieser gilt als Inbegriff des Bösen und ist Symbol für etwas, das der sündigen Tat vorausgeht. Dabei wird nur gesagt, dass die Schlange klug ist und die plausible Frage stellt, warum Gott nicht will, dass die Menschen vom Baumin der Mitte des Gartens essen. Plausibel ist auch ihre Antwort: Gott will nicht, dass die Menschen so werden wie er. Es scheint fast so, als hätte Gott Angst vor der Konkurrenz der Menschen. Genau genommen vertraut Gott den Menschen nicht. Er liebt sie nicht so, wie die Menschen bisher angenommen haben. Die Angst des Menschen, nicht wirklich von Gott geliebt zu werden ist das, was unter Erbsünde verstanden werden kann. Denn der Sündenfall besteht nicht in erster Linie im Ungehorsam und im Genuss der verbotenen Frucht, sondern im Misstrauen des Menschen gegenüber der Freundschaft Gottes.
Wenn der Mensch nicht mehr sicher sein kann, dass Gott auf seiner Seite ist, dann muss er in Angst um sich selbst leben, und schauen, dass er ohne Gott zurecht kommt. Dabei ist Sünde keine moralische Grösse, denn, dass jemand Angst hat, ist moralisch nicht bewertbar. Erst die Konsequenzen, die aus dieser Angst gezogen werden, sind moralisch bewertbar.

Misstrauen, nicht wirklich geliebt zu werden

Der Ungehorsam und das Essen vom Baum entstehen aus Angst um sich selbst, aus der Angst vor einem Gott, der den Menschen nicht liebt. Die Menschen finden sich in einer Situation vor, sich selber schützen zu müssen. Diese Angst also, das Misstrauen, nicht wirklich geliebt zu werden, und die Verzweiflung, nun allein für sich und sein Glück verantwortlich sein zu müssen, bringt den Menschen dazu, sich aus Beziehungen zu lösen.
Und erst hier kommt die Schuld ins Spiel, d.h. durch die Sünde – die Angst des Menschen um sich selbst – folgt die Schuld, also die moralisch bewertbare Tat. Hier zeigt sich, dass die Menschen durch die Sünde zur Schuld verführt werden. Das Böse ist hier nicht das Exotische, sondern die Macht, die der Mensch erfährt, wenn er sich geängstigt und schuldig in seiner Welt schutzlos vorfindet.

Es geht um Versöhnung

Mit diesem Sündenbegriff lässt sich die Wirklichkeit des heutigen Menschen erfassen. Die Frage ist nun, inwiefern die Kirche sowohl in ihrer Verkündigung als auch in ihren Vollzügen eine adäquate Antwort auf die Not des Menschen in Bezug auf Angst und Schuld geben kann.
Das Sakrament der Beichte ist eine konkrete Form, in der der Mensch sich, so wie er ist, Gott stellen kann und Gottes Zuneigung hörbar gemacht bekommt. Dabei geht es eben nicht wie in der Vergangenheit um eine Fixierung der Beichte und des Sündenbegriffs auf Schuld. Die Aufgabe des Sakraments muss als Zuspruch in der Not und nicht als Anspruch im Sinne einer ethischen Optimierung herausgestellt werden. Es geht um die Versöhnung des Menschen mit Gott, sich selbst, der Welt und den Menschen, die in ihr leben. Alles Unversöhnte, das sich in Angst, Hass, Lieblosigkeit, Leiden an sich selbst oder gar Verzweiflung ausdrückt, soll geheilt werden.

Versöhnung – ein Weg für alle Generationen

Versöhnungswege gibt es schon seit einigen Jahren zur Vorbereitung auf das Sakrament der Versöhnung für Kinder, dann aber auch für Erwachsene und immer mehr auch für alle Generationen. Als Vorbereitung auf das Sakrament der Versöhnung (Beichte) bietet sich das «Gebet der liebenden Aufmerksamkeit» des heiligen Ignatius von Loyola zur Gewissenserforschung an. Dieser Tagesrückblick bildet die Grundstruktur für den hier vorgestellten «Versöhnungsweg für alle Generationen», der im Rahmen einer Projektarbeit für die Berufseinführung des Bistums Basel von vier Theologinnen (Bettina Kustner, Jacqueline Meier, Sr. Mattia Fähndrich, Katrin Schulze) entwickelt und bereits in einigen Pfarreien im Raum Zug angeboten wurde. Ziel dieses Weges ist es, immer mehr aus der Angst heraus in das Vertrauen hineinzuwachsen, dass Gott es wirklich gut mit uns meint. Diese Erfahrung kann auf dem Versöhnungsweg deutlich werden und in einem Beichtgespräch oder in einem Seelsorgegespräch nochmals in Form eines Zuspruchs auf den Punkt gebracht werden.

Bettina Kustner, Pastoralassistentin, Menzingen, und Katrin Schulze, Theologin, Bern

 

Der Versöhnungsweg in Bern-West
Der Versöhnungsweg wird von den Pfarreien Bern-Westdurchgeführt. Er findet von Montag, 23. Mai bis Samstag, 28. Mai in der Kirche St. Antonius, Bümpliz, statt. Vorgängig findet am Dienstag, 10. Mai, 20.00, im Pfarreiheim St. Antonius ein Informationsabend statt. Die Eröffnung mit Impuls folgt dann am Montag, 23. Mai, 18.30.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 08.00–21.00. Samstag, 28. Mai, 08.00–13.00, ab 14.00 für 4.KlässlerInnen und Begleitpersonen reserviert. Gottesdienst mit Versöhnungsakt: Freitag, 27. Mai, 09.00 Krypta St. Antonius. Dankgottesdienst: Samstag, 28. Mai, 18.00, St. Antonius. Anschliessend Apéro/Grillete.
Kontaktperson für Fragen und Rückmeldungen: Katrin Schulze (Theologin), Pfarrei St. Antonius, katrin.schulze@kathbern.ch/Tel. 031 996 10 85.
Flyer mit weiteren Informationen auf www.kathbern.ch/bernwest

«Gebet der liebenden Aufmerksamkeit»: Das Gebet des heiligen Ignatius von Loyola

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