Herausforderung Familie. Barmherzigkeit imMittelpunkt! Foto: fotolia, Riccardo Meloni

Die Familie gibts nur in der Mehrzahl

Ein Kommentar zur Familiensynode

Die Familiensynode ist zu Ende, was weitergeschieht, muss nun der Papst entscheiden. Ein Fazit zur Synode zieht hier Abbé Christian Schaller, leitender Priester im Dekanat Region Bern und Pfarrer der französischsprachigen Pfarrei in Bern.


Von Abbé Christian Schaller


«Es war die beste Synode, die ich je erleben durfte.» Mit diesen Worten beschreibt der Erzbischof von Wien, Kardinal Schönborn, die Bischofssynode zur Familie, die vor wenigen Tagen zu Ende ging. Den echten Austausch und die freie Aussprache unter den Bischöfen hatte er besonders geschätzt. Nein, die Fetzen sind nicht geflogen. Aber keiner konnte verbergen, dass es grosse Spannungen gab. Die Meinungen gingen manchmal so weit auseinander, dass Papst Franziskus in seiner Abschlussrede sagte: «Was einem Bischof eines Kontinentes als normal erscheint, wird von einem anderen Bischof aus einem anderem Kontinent als skandalös wahrgenommen.» Indem die Bischöfe sich mit den Bedürfnissen der Familien auseinandersetzten, durften sie voneinander lernen, dass es die ideale Familie gar nicht gibt. Die 265 Bischöfe haben einstimmig betont, welche grosse Bedeutung die Kirche der Ehe und den Familien beimisst. Sie haben auch darum gerungen, zu verstehen, vor welch grossen Herausforderungen die Familien stehen.

Im Dienste der Barmherzigkeit

Die Synode ist kein Parlament und hat auch keine Entscheidungen zu treffen. Als Beratungsgremium überreichte sie dem Papst am Ende der dreiwöchigen Sitzung ein Schlussdokument. Die 94 Paragraphen, die darin enthalten sind, wurden mit Dreiviertelmehr angenommen. Die Neugierde der Medien fokussierte sich vorwiegend auf den Punkt betreffend der möglichen Zulassung zur Kommunion wiederverheirateter Geschiedener.
Auch wenn nur knapp, so empfiehlt die Synode dem Papst, die Zulassung zur Kommunion unter gewissen Bedingungen für die wiederverheirateten Geschiedenen zu ermöglichen. Nun wird erwartet, dass Papst Franziskus in den nächsten Monaten zu diesen Beratungsergebnissen Stellung nehmen und sogar Weisungen treffen wird.
Ich weiss nicht, in welchen Richtungen es gehen wird. Aber seine Worte sind klar und deutlich: «Die Synode lehrte uns, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht diejenigen sind, die den Buchstaben, sondern den Geist verteidigen; nicht die Ideen, sondern den Menschen; nicht die Formeln, sondern die Freigebigkeit der Liebe Gottes und seiner Vergebung.» Für ihn gilt ein Schlüsselwort; die Barmherzigkeit.

Was die Kirche versäumt hat

Die Synode hatte auch den Auftrag zu reflektieren, wie die Seelsorger im Namen der Kirche mit den Familien umgehen. Die Bischöfe der deutschen Sprachgruppe haben diesbezüglich eindrückliche Worte geäussert:«Hier gilt nicht nur anzuerkennen, was die Kirche leistet, sondern auch ehrlich zu sagen, was wir als Kirche versäumt haben: Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und ausserehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe bitten wir diese Menschen um Verzeihung.»

Die Grenzen der Synode

Für einige gingen die Vorschläge zu weit, für andere blieb alles noch beim Alten. Wichtige Fragen konnten nur am Rande angegangen werden. Dazu kommt, dass die Synode ein Gremium ist, das nur aus Männern besteht. Einige wenige Frauen waren als Beobachterinnen eingeladen. Gerade beim Thema Familie sollte die Kirche zuerst auf die Stimme der Frauen hören. Und ihre Stimmen sollten auch zählen können. Meines Erachtens fehlte auch eine zeitgemässe Auseinandersetzung mit den Fragen um die Familienplanung.

Eine Kirche mit offenen Türen

Für uns Christinnen und Christen in der Region Bern geht die Synode nicht zu Ende. Sie gibt uns die Gelegenheit, uns selbst zu hinterfragen, wie es den Familien in Bern geht. Wo stehen Freud und Leid in unseren Familien? Wie tragen wir dazu bei, dass Familien in Not geholfen wird? Wie stehen wir den alleinerziehenden Eltern bei? Was macht die Kirche in Bern beim Mangel an Tagesstätten für Kinder? Wie machen wir uns politisch für die Anliegen der Familien stark? Wie reagieren wir als Kirche, wenn es heisst, Kinder stellen ein Armutsrisiko dar? Wo und wie handeln wir bei der grossen Frage der häuslichen Gewalt? Was bieten wir den Menschen, die keine Familie mehr haben? Wie verhalten wir uns gegenüber Flüchtlingsfamilien? Was soll die Vorbereitung einer Ehe beinhalten? Wie gehen wir mit homosexuell orientierten Menschen um? Wo und wann danken wir den Familien für ihren immensen Einsatz?
Diese vielen Fragen können die Seelsorgerinnen und Seelsorger der Region Bern alleine nicht beantworten. Hier geht es nicht darum, von oben herab irgendwelche gut gemeinten Ratschläge zu erteilen. Bevor wir irgendwelche Lösungen anbieten, müssen wir hellhöriger werden. Wir, als Seelsorgerinnen und Seelsorger, müssenselbst lernen, mit den Familien in Kontakt zutreten und mit ihnen unterwegs zu sein. Denn das Wort «Synode» heisst ja miteinander auf dem Weg gehen.

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