Jacqueline Straub

«Die Kirche darf diese Frauen nicht fallen lassen»

Die Theologin Jacqueline Straub zählt laut dem britischen Sender BBC zu den «inspirierenden und einflussreichen» Frauen weltweit. Sie spreche für alle Frauen, die in der Kirche nicht gehört werden.

Sie spreche auch für alle Frauen, die in der Kirche schweigen müssen oder nicht gehört werden, sagte die Theologin und Fernsehredaktorin Jacqueline Straub. Der britische Sender BBC zählt sie zu den «inspirierenden und einflussreichen» Frauen weltweit für das Jahr 2018. Straub fordert von der Kirche Schweiz, dass sie die sechs ausgetretenen, prominenten Katholikinnen nicht fallen lässt, sondern ihnen Gehör schenkt.

Von Georges Scherrer, kath.ch

«Es ist Wahnsinn. Ich kann es noch immer nicht fassen, dass ich auf dieser Liste stehe , sagt Jacqueline Straub zu Beginn des Gesprächs mit kath.ch. Ein Zufall ist es nicht, dass sie dort landete. Die junge Theologin reiste in diesem Herbst an die Bischofssynode über die Jugend nach Rom. Sie nahm an einer internationalen Veranstaltung der Organisation «Women’s Ordination Worldwide» (WOW) teil. Dort wurde eine Redaktorin der BBC auf sie aufmerksam und nahm ein Statement von ihr auf. Dieses überzeugte offenbar die Redaktion in London, welche dann ihrerseits Kontakt mit der deutsch-schweizerischen Doppelbürgerin aufnahm, die im aargauischen Muri lebt.

Die WOW-Parallelveranstaltung zur Jugendsynode nahm Themen auf, die an der Synode «nicht besprochen wurden», so Straub, darunter die «Frauenordination». Straub trat als Referentin auf. Die BBC führte in Rom ebenfalls ein Podium durch. Die deutschsprachige Theologin konnte daran nicht teilnehmen, weil sie Rom aus beruflichen Gründen bereits verlassen hatte. Auf dem Podium wurde jedoch ein Statement von ihr vorgelesen. Vor einer Woche teilte die BBC ihr schliesslich mit, dass sie in die «List of 100 inspiring and influential women from around the world for 2018» aufgenommen worden sei.

Lieber direkt zu den Bischöfen gesprochen

«Zuerst wollte ich es gar nicht glauben. Aber es freut mich sehr», erzählt die Theologin. Es gebe so viele andere Frauen auf dieser Welt, die grossartige Dinge leisten, die nicht öffentlich werden. Sie hätte ihr «BBC-Statement» aber viel lieber den Bischöfen direkt während der Jugendsynode vorgetragen. Denn sie hat das Gefühl, dass die Synode den Anliegen der Frauen nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt habe.

Die deutschsprachige Arbeitsgruppe an der Synode habe zwar dafür plädiert, das Pflichtzölibat abzuschaffen und die Situation der Frauen nicht nur bei den Karrieremöglichkeiten in der Kirche, sondern auch bei den geistlichen Ämtern zu verbessern. «Und da ist meiner Meinung nach im Abschlussdokument einfach zu wenig drin oder gar nichts», erklärt Straub.

Viele Frauen müssen schweigen

Viele junge Menschen auf der Welt würden für grundlegende Reformen in der Kirche plädieren. Aber diese würden kaum gehört. Die BBC-Ernennung beflügelt die Theologin nun, ihr Engagement für die Kirche energisch weiterzuführen. «Ich weiss, dass mein Einsatz nicht umsonst ist. Das tue ich beileibe nicht nur für mich. Denn ich kenne so viele Frauen, die ihre Stimme aus verschiedenen Gründen nicht erheben können», ergänzt Straub.

Oftmals seien es Frauen, die in der Kirche angestellt seien und damit rechnen müssten, dass ihnen gekündigt werde, wenn sie öffentlich über bestimmte Themen redeten. In der Schweiz bestehe diese Gefahr weniger. In Deutschland kenne «ich aber Frauen, die vor die Wahl gestellt wurden: entweder ihr seid still oder ihr verliert euren Job».

Ausgetretene Frauen gehören zur Kirche

In der Schweiz sind sechs bekannte Katholikinnen aus der Kirche ausgetreten und handeln somit anders als Jacqueline Straub (wir haben berichtet und kommentiert), die trotz ihrer Kritik an der katholischen Kirche in dieser bleibt. Dazu sagt die Theologin: «Das ist ein sehr mutiger Schritt. Wenn ich aus ihrer Perspektive denke, dann sehe ich, dass es unglaublich viel Kraft brauchte, um den Schritt zu tun».

Denn diese Frauen hätten sich seit Jahrzehnten für die Kirche eingesetzt «und sind somit schon viel länger unterwegs als ich». Es sei gut, dass sie ihren Entscheid «öffentlich gemacht haben», dies anders als all jene Menschen, die sich stillschweigend und enttäuscht von der Kirche verabschiedeten, «nachdem sie sich jahrelang für Reformen eingesetzt haben». Straub mahnt aber: «Wir dürfen die Kirche nicht dem konservativen Flügel überlassen.»

Die katholische Kirche dürfe die sechs prominenten Katholikinnen nicht fallen lassen, verlangt Straub. Diese hätten in der Kirche zwar «offiziell» nichts mehr zu sagen. Aufgrund der Taufe könnten sie aber ihre Stimme in der katholischen Kirche weiter erheben. Die Kirche müssen mit ihnen einen echten Dialog führen, denn sie hätten etwas zu sagen.

Die Kirchenbasis hat es in der Hand

Darum sagt die junge Theologin: «Ich hoffe wirklich, dass diese Frauen gehört werden und zwar nicht nur jetzt während einer Woche von den Medien, sondern auch darüber hinaus. Ich wünsche mir, dass die Frauen von den kantonalen Landeskirchen und in die Pfarreien eingeladen werden und die Möglichkeit erhalten, zu erklären, warum sie diesen Schritt getan haben.» Sie hoffe auch, dass die Bischöfe das Gespräch suchen werden, weil «es ein lange vorbereiteter Schritt ist» von Frauen, die sehr lange voll hinter der Kirche standen.

Straubs Stimme soll nun über die BBC in alle Welt gehen. Sie braucht nicht nach London zu reisen. Ihr Videostatement wurde bereits in Rom aufgenommen und soll über die Fernsehkanäle des Senders und das Radio in den kommenden Monaten ausgestrahlt werden. «Für mich ist es eine Auszeichnung für all jene Menschen, die sich auch für die Kirche stark machen und die die Kirche weiterbringen wollen.» Die junge Theologin fühlt sich von vielen Menschen getragen und mit ihrer Hilfe will sie «weiterhin ihren Weg gehen», erklärt die Theologin abschliessend.

 

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