«Die Wissensvermittlung geht mit der Zeit. Ein harter Kern aber bleibt: die Gebete.» Lucha Calvo Lorenzo. Foto. Pia Neuenschwander

Die richtigen Worte für die Kinder finden

Seit 1988 gibt Lucha Lorenzo in der spanischen Mission in Ostermundigen Religionsunterricht.

In der spanischsprachigen Mission der Stadt Bern ist die 62-jährige Lucha Calvo Lorenzo bei Jung und Alt bekannt. Seit gut 30 Jahren gibt sie dort Religionsunterricht auf der Unterstufe. Mit dem «pfarrblatt» spricht sie über Gewissenhaftigkeit, Glaubensvermittlung und Gottesgegenwart fern der eigenen Wurzeln.


Von Anouk Hiedl


«Lucha ist das spanische Wort für Kampf. Meine Grossmutter nannte mich immer so, wie ihre verstorbene Tochter. Ich habe erst in der Schule verstanden, dass ich eigentlich Aquilina heisse.»
Als Kind lebte Lucha bei ihren Grosseltern in Spanien. 1973 kam sie als 16-Jährige zu ihren Eltern nach Bern, die bereits Jahre zuvor in die Schweiz emigriert waren. Sie nahm Arbeit in einer Fabrik an und lernte dort ihren Mann kennen, auch er ein gebürtiger Spanier. Mittlerweile sind die beiden 44 Jahre verheiratet.

Seit 1988 gibt Lucha Lorenzo in der spanischen Mission in Ostermundigen Religionsunterricht für die erste bis dritte Klasse. «Eine langjährige Katechetin fragte mich damals an, ob ich zum Team stossen wolle», erzählt sie. «Ich hatte keinerlei Erfahrung, Respekt vor dieser Aufgabe und Zweifel, ob ich sie erfüllen könnte.» Doch ihr Unterricht bewährte sich, und nach einiger Zeit begann Lucha, Drittklässler auf die Erstkommunion vorzubereiten.

Ihre Ausbildung als Katechetin erfolgte durch den Priester vor Ort, später dann in entsprechenden Kursen, welche die Koordinationsstelle der 16 spanischsprachigen Missionen in der Schweiz noch heute organisiert. Am Anfang glaubte Lucha Lorenzo nicht, dass sie lange Katechetin bleiben würde. «Erst viel später dachte ich einmal ernsthaft ans Aufhören. Doch die Kinder konnten nichts für unsere Schwierigkeiten im Team. So bin ich geblieben», erinnert sie sich.

An einem traurigen Tag bestätigte sich dieser Entscheid für sie noch klarer: «Das Lächeln und die Freude der Kinder, mich in der Kirche zu sehen, hat mich getröstet. Wir sind Freunde und begegnen uns auf Augenhöhe.» Lucha Lorenzo stellt fest, dass der Glaube in unserer Gesellschaft mit jeder neuen Generation abnimmt. «Dennoch, alle Kinder glauben, die meisten mehr, ein paar weniger. In meinen ersten Klassen waren die Kinder noch ohne Natel und PC. So hatten sie mehr Zeit zum Lesen und Lernen und konnten sich besser konzentrieren. Heute haben sie in der Freizeit viel mehr Ablenkung.»

Doch auch mit den Kindern von heute findet sie einen Weg zum Glauben, und im Religionsunterricht tauchen dieselben Fragen und Zweifel wie eh und je auf: Wo ist Gott? Wie kann Jesus in der Hostie sein? Was ist der Heilige Geist, was die Dreifaltigkeit? Letztere packt sie in eine Metapher: «Gott ist wie ein Baum. Ein Baum hat einen Stamm, Wurzeln und Blätter. Fehlt einer dieser drei Bestandteile, ist es kein Baum mehr.» Weiss sie sich bei einer Frage zur Auferstehung, zum Tod oder zu Gegensätzen zwischen Religion und Wissenschaft keinen Rat, verspricht sie bis zum nächsten Mal eine Antwort und bespricht sich mit dem Priester.

«Gott hat mich durch den Mund eines anderen Menschen zur Katechese berufen. Die grösste Herausforderung dabei ist, die richtigen Worte für die Kinder zu finden, um sie richtig zu lehren.» Ihren Unterricht hat Lucha Lorenzo in den letzten Jahrzehnten jeweils den neuen spanischsprachigen Lehrmitteln angepasst. «Die Wissensvermittlung geht mit der Zeit. Die Inhalte bleiben zwar gleich, doch sie sind heute klarer formuliert und ansprechender gestaltet.» Einen harten, unveränderten Kern gebe es aber: die Gebete. Es sind jene, die Lucha vor 57 Jahren von ihrer Grossmutter gelernt hat.

«In der Mission sind wir 14 spanischsprachige Nationen. Hier finde ich gelebte Kirche. Es ist nicht nur die Sprache, die uns verbindet. Fern der Heimat glauben wir alle stärker. Gott hält uns zusammen und ist uns nah.» In der Katechese gelte es, Vertrauen herzustellen, auch in die Kirche. Das trage zum Glauben der Menschen bei. Lucha Lorenzo gibt freiwillig zwei Stunden Religionsunterricht pro Woche. Auch die Vorbereitungszeit dafür ist unentgeltlich – seit über 30 Jahren. Lucha Lorenzo würde in ihrem Leben nur zwei Dinge anders machen: Sie würde Deutsch lernen und eine Berufslehre machen.

 

Infos: Mission der Spanischsprechenden Bern-Ostermundigen

 

 

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