Wie soll man Zuhause bleiben, wenn man kein Zuhause hat? Foto: Symbolbild, iStock/Ijubaphoto

Die sozial Schwächsten trifft es am härtesten

Seelsorge in Zeiten von Corona am Beispiel der kirchlichen Gassenarbeit

Obdachlose, Sexarbeiterinnen, Sans-Papiers, Drogen- und Suchtkranke: Die bereits verletzlichen Gruppen trifft die Corona-Krise besonders schmerzlich. Die ökumenische Gassenarbeit Bern tut ihr Möglichstes – und wird dabei von den Kirchen zusätzlich unterstützt.

Von Marcel Friedli

Auch das Büro der kirchlichen Gassenarbeit Bern ist geschlossen – es ist nach draussen verlegt worden. So kann die Abstandsregel eingehalten werden. «Zurzeit», sagt Gassenarbeiter Ruedi Löffel, «geben wir vor allem Essen ab: Sandwiches und Sachen zum Kochen. Das ist jetzt das Dringlichste.» Ein Kühlschrank ist gespendet worden, der drei Mal pro Tag aufgefüllt wird: mit Spenden von Restaurants. Und mit Nahrungsmitteln aus der Bevölkerung. «Diese Solidarität berührt und freut uns sehr!»

Lücke noch nicht gefüllt

Der Gemeinschaftssinn zeigt sich auch darin, dass viele anbieten, Hand anzulegen. Dies ist gefragt, da die meisten Freiwilligen, die auch für die Klientel der Berner Gassenarbeit tätig sind, über 65 Jahre alt sind. «Dadurch», sagt Ruedi Löffel, «ist eine immense Lücke entstanden. Es ist toll, dass etliche bereit sind, diese zu füllen. Doch es braucht Zeit, um sie gemäss ihren Möglichkeiten sinnvoll einzusetzen.» Auch freut sich der Gassenarbeiter darüber, dass von Seiten der Kirche finanzielle Unterstützung signalisiert wird. Zudem seien Kirchgemeinden bereit, Räume zur Verfügung zu stellen. Lichtblicke im Alltag von Ruedi Löffel, der im Trüben fischt. So weiss er nicht genau, wo sich die Stammkundschaft aufhält.

Drogenabhängige, darunter Sexarbeiterinnen und -arbeiter, sind in zusätzlichem Beschaffungsstress, weil Pärke geschlossen sind. «Sonst bekommen wir sie, da wir jeweils auf der Gasse unterwegs sind, regelmässig zu Gesicht.» Wie die Sexarbeiter*innen haben auch viele Sans-Papiers ihre Einnahmen verloren. «Mehr Menschen ohne reguläre Aufenthaltsbewilligung kommen nun zu uns, trotz ihrer Angst vor Kontrollen.»

Zuhause bleiben ohne Zuhause

Für Menschen auf der Strasse ist es kaum möglich, die Massnahmen des Bundesrates umzusetzen. «Wie soll man zu Hause bleiben, wenn man kein Zuhause hat und die sozialen Einrichtungen nicht dafür ausgelegt sind?», gibt Gassenarbeiter Ruedi Löffel zu bedenken. «Menschen am Rande der Gesellschaft haben auch selten die Möglichkeit, sich regelmässig die Hände zu waschen. Zudem haben sie den Kopf voll mit anderen Dingen.» Ruedi Löffel und seine zwei Arbeitskolleginnen hoffen, dass sich die Situation bald einpendelt – und sie auch jene wieder zu Gesicht bekommen, die zurzeit verschollen scheinen.


Infos:
www.gassenarbeit-bern.ch; 031 312 38 68; www.facebook.com/GassenarbeitBern

 

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