Am Podium (von links): Bischofsvikar Arno Stadelmann, Marcel Notter (Präsident Fachgruppe Migration der Römisch-katholischen Zentralkonferenz), Marie-Louise Beyeler (Synodalrätin BE) und Patrick Renz (Nationaldirektor migratio).

«Ein blosser Gaststatus der Missionen geht nicht mehr»

Bischöfe und Zentralkonferenz suchen an der Oltener Tagung ein gesamtschweizerisches Konzept für die Migrationsseelsorge

Heute ist es oft ein Nebeneinander, in Zukunft soll es ein Miteinander werden: An einer Tagung in Olten kamen kritische Punkte und Lösungsansätze für das Verhältnis der Kirche Schweiz und der Anderssprachigenseelsorge zur Sprache.

«Wir möchten die kroatische Mission integrieren, aber der Missionar hält seine Schäfchen zusammen. Sie wollen nur unter sich sein.» – «Die Schweizer Pfarrei hat nicht die Kraft, unsere Leute anzuziehen. Wenn sie nicht zur Mission kommen, kommen sie gar nicht. Dann sind sie verloren.» – «Sie müssen eine Heimat haben, aber es wäre schön, wenn sie allmählich bei uns eine Heimat hätten.» – «Wenn sie ein Kind taufen wollen, kommen viele italienischen Eltern zur Mission. Das entscheiden die Leute selbst, da kann man nichts erzwingen.» – «Die Italiener sind seit über 100 Jahren hier – wie viel Zeit brauchen wir noch?»

Das sind Stimmen aus der gelebten Realität in den Beziehungen zwischen Schweizer Pfarreien und anderssprachigen Migrantengemeinschaften. Zu hören waren sie am 28. April in Olten an der Begegnungsplattform 2018 der Begleitkommission für das Zusammenwirken von Anderssprachigen und Pfarreien (KAP) der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern und der Römisch-katholischen Synode des Kantons Solothurn.

Anwesend waren etwa 60 Vertreterinnen und Vertreter der pastoralen und der staatskirchenrechtlichen Seite, auch von vielen Missionen.

Modelle für das Zusammenwirken
«Wo stehen wir in zehn Jahren? Was wird auf gesamtschweizerischer Ebene gedacht?», umriss Bischofsvikar Arno Stadelmann die Fragestellung. «Wir sind daran, pastoraltheologische Modelle für das Zusammenwirken von Pfarreien und Missionen zu suchen», sagte der Leiter der Bistumsregion St. Verena (Bern, Solothurn, Jura). «Klar ist, dass der ‹Gaststatus› der Missionen nicht mehr geht.» «Was ist Ihre Vision für die Zukunft?», fragte die Berner Synodalrätin Marie-Louise Beyeler zwei Experten am Podium. «Eine globale Kirche, in der man nicht von Gaststatus, Assimilation und Integration spricht – ein Kirche, die vom Nebeneinander zum Zueinander, Miteinander und Füreinander findet», lautete die Antwort von Patrick Renz, dem Nationaldirektor der Dienststelle migratio der Schweizer Bischofskonferenz (SBK).

Die Vision von Marcel Notter, Generalsekretär der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Aargau und Präsident der Fachgruppe Migration der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ): «Dass es nicht mehr zwei separate Organisationen gibt, sondern ein natürliches Zusammenführen mit gleichen Spiessen – was heute nicht der Fall ist.»

Viel Gutes, aber auch kritische Punkte
Laut Marcel Notter haben 38,4 Prozent der Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz einen Migrationshintergrund. Der Löwenanteil der finanziellen Aufwendungen für die Anderssprachigen-Seelsorge erfolge über die kantonalkirchlichen Ebenen: So etwa im Kanton ZH 8 Mio. Franken, in AG 3 Mio., SO 1,4 Mio., BL 1,3 Mio. Franken.

Im November 2017 haben SBK und RKZ ein gemeinsames Projekt gestartet: Bis im Sommer 2020 soll es eine Erhebung des aktuellen Zustands, ein Massnahmenkonzept (Empfehlungen) und eine Klärung der Strategie bringen.
Als Anliegen der RKZ nannte Notter unter anderem: die Verstärkung der Aus- und Weiterbildung für eine interkulturelle Pastoral; die Stärkung der Kompetenz der «Koordinatoren» (gesamtschweizerische Ansprechpersonen der Sprachmissionen); den Aufbau neuer, beweglicherer Formen der Migrationspastoral ohne Errichtung neuer Missionen.

«Häufig herrscht grosse Freude – es gibt Vielfalt, ein reges Leben, Einsatz der Laien und Wallfahrten», sagte Notter zum heutigen, historisch gewachsenen Zustand. Aber die kritischen Punkte müssten auf den Tisch kommen. Notter nannte die Rekrutierung der Missionsleiter (bestenfalls eine Kandidatur ohne Auswahl) und deren ungenügende Vorbereitung für den Einsatz in der Schweiz hinsichtlich Sprache, Kenntnis des dualen Systems und Führungserfahrung. Andererseits mache das «Gartendenken» (Geld, Gebäude und Einrichtungen gehören den Kirchgemeinden) die Missionen zu Bittstellern.

«Grundfrage des Christentums»
Patrick Renz legte dar, wie vielfältig die aktuelle Situation ist. Es gibt elf gesamtschweizerische Missionen, 25 regional organisierte Missionen und mehr 80 als kantonale oder lokale Missionen. Alles in allem stehen für diese Missionen in der Schweiz 20 Mio. Franken zur Verfügung. «Besteht da nicht ein Missverhältnis zum Anteil von 38 Prozent Katholiken mit Migrationshintergrund?», fragte Renz.

Nicht von Integration sei zu reden, sondern von der Zukunft der Kirche, wünscht sich der migratio-Direktor. Der Einstellung «die Migrantenseelsorge kostet uns» oder dem Ruf nach Selbstfinanzierung setzte Renz entgegen: «Migrationsgeschehen ist eine Grundfrage des Christentums.» «Die Bischöfe lernen», zeigte sich Renz überzeugt. Ihr Ziel sei eine Stärkung und Neuausrichtung der Migrantenseelsorge. Sie folgten dabei dem Beispiel von Papst Franziskus, der im Vatikan eine Sektion «Migrants and Refugees» geschaffen habe (https://migrants-refugees.va/).

In den Gruppendiskussionen wurden mögliche Modelle des Miteinanders besprochen und viele praktische Vorschläge gemacht. Pater Armin Russi vom Kloster Mariastein wünschte, dass der Beitrag seiner Benediktinergemeinschaft wahrgenommen werde: «Wir machen sehr viel Seelsorge an Migranten, zum Beispiel Tamilen, aber wir kommen personell, finanziell und strukturell an unsere Grenzen.»

Der Schlussbericht der Begegnungsplattform 2018 wird später auf der Website der Landeskirche Bern (www.kathbern.ch/landeskirche) veröffentlicht.

Christian von Arx, Chefredaktor «Kirche heute» Basel

 

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