Ort der Begegnung und der Vernetzung: der Mittagstisch für abgewiesene Asylsuchende in St. Marien Bern. Foto: zVg

Ein Gefühl von Weihnachten

Mittagstisch für Asylsuchende mit Nothilfe und Sans-papiers

«Wenn ich am Donnerstag jeweils hierherkomme, ist es für mich wie Weihnachten», erzählt Abdul aus Bangladesch. Seit fast zwei Jahren besucht er regelmässig den Ökumenischen Mittagstisch für abgewiesene Asylsuchende in der Pfarei St. Marien Bern. Neben dem Essen steht für ihn insbesondere der soziale Austausch im Zentrum.

«Wie geht es dir?» – Diese Frage höre ich oft an diesem Donnerstagmittag. Genau diese Frage schätze er so sehr, erzählt mir Abdul. Für Fragen und Gespräche hätten die Mitarbeitenden des Asylzentrums oft keine Zeit. Es gebe so viele Bewohner*innen zu betreuen und Aufgaben zu erledigen. Der wöchentliche Besuch des Mittagstischs fühlt sich deshalb für ihn und viele andere wie ein Familientreffen an. «Wir erfahren Gastfreundschaft. Die Freiwilligen kümmern sich um uns und fragen, wie es uns geht. Ob wir das Essen gemocht haben. Als wären sie unsere Eltern. Wir haben niemanden hier. Sie sind ein Familienersatz», berichtet Abdul.

Jeden Donnerstag improvisiert ein internationales Küchenteam von Flüchtlingen mit Lebensmitteln der Schweizer Tafel ein reichhaltiges Menü. Seit über zehn Jahren wird im Berner Nordquartier für abgewiese Asylsuchende gekocht. Ihre Asylgesuche wurden abgelehnt, in ihr Herkunftsland zurückkehren können sie häufig dennoch nicht. Sie landen in der Nothilfe und leben mit acht Franken pro Tag – manche jahrelang. Da kommt der wöchentliche Besuch des Mittagstischs gelegen.
«In letzter Zeit kommen häufig um die 50 Personen zum Mittagessen», erzählt mir Charlotte, eine der Freiwilligen am Mittagstisch. Dies habe wahrscheinlich mit den bevorstehenden strukturellen Veränderungen im Asylwesen und der grossen Verunsicherung unter den Betroffenen zu tun, vermutet sie.

Der Mittagstisch bietet den abgewiesenen Asylsuchenden nicht nur ein feines Mittagessen, sondern ist auch ein Ort der Begegnung und der Vernetzung. Man kennt sich seit Jahren, spricht über Ängste und Sorgen, isst zusammen. «Wichtig ist aber vor allem auch, dass einander hier am Mittagstisch geholfen wird. Die Leute können sich gegenseitig Tipps geben, wen man fragen oder wohin man gehen könnte», meint Charlotte. Eine der wichtigen Anlaufstellen sei die Asylberatung der Fachstelle Sozialarbeit, die sich auf die Anliegen und Bedürfnisse von abgewiesenen Asylsuchenden spezialisiert hat.

Die Freiwilligen des Mittagstisches sind mit vollem Herzen dabei, das spüre ich. Dennoch raube es ihr manchmal den Schlaf, gesteht mir Charlotte. Politische Entwicklungen und der Ausgang einzelner Asylverfahren seien schwer zu akzeptieren, wenn man es mit den Menschen direkt zu tun habe. Was sie dazu bewege, sich weiter zu engagieren, frage ich sie. «Es motiviert mich, dranzubleiben und die Menschen ernst zu nehmen. Die Menschen, die hier sind, sind einfach hier. Sie verdienen es, dass man sich ihnen zuwendet. Auch aus einem christlichen Hintergrund: Es geht um den Dienst am Nächsten. Dass die Kirche dies immer noch so ernst nimmt, auch in schwierigen Zeiten, ist für mich ein Grund, der Kirche treu zu bleiben.»

Eveline Sagna, Fachstelle Sozialarbeit (FASA)

 

Kollekte für Menschen in Not
Die Kollekte in der Region Bern vom 2. Adventssonntag ist für die «Hilfskasse für Menschen in Not» (Asyl) der Fachstelle Sozialarbeit der Katholischen Kirche Region Bern und den Ökumenischen Mittagstisch bestimmt.Herzlichen Dank für Ihre Solidarität: PC 30-10715-1, Gesamtkirchgemeinde Bern, 3001 Bern. Vermerk: Kollekte Asyl

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