Alexander Pasalidi hat im November jeweils bis zu sieben Gottesdienste pro Wochenende gefeiert. Foto: Andreas C. Müller

Ein Pfarrer schreibt Briefe

Wie Alexander Pasalidi die Corona-Pandemie in Gstaad erlebt.

Alexander Pasalidi ist seit zwei Jahren in Gstaad. Er erfährt hautnah, wie die Corona-Pandemie die Tourismusorte in der Schweiz trifft.


Autor: Andreas C. Müller, Horizonte Aargau


Horizonte Aargau: Herr Pasalidi, wie geht es der Hotellerie im Ferienort Gstaad?

Alexander Pasalidi: Die Hotelbuchungen für Januar waren schlecht – und für Februar sieht es auch nicht gut aus. Dabei hätten wir beste winterliche Verhältnisse. Wie bereits das vergangene Jahr wird auch das neue Jahr coronabedingt ein ganz schwieriges Jahr für alle hier. Das kriege ich auch in Gesprächen mit den Menschen zu hören. Die leiden zum Teil sehr. Darum habe ich, wie bereits im harten Lockdown zu Ostern, auch jetzt zu Weihnachten alle Hotels im Simmental und Saanenland angeschrieben und ihnen in diesem Brief versucht, Mut zu machen. Mir war es wichtig, ein Zeichen der Verbundenheit und Ermutigung zu setzen.

Bindet Sie jetzt Corona als Seelsorger zurück an den Schreibtisch?

Nein, sicher nicht. Klar bedeutet die Pandemie eine Herausforderung, zumal wir Kontakte auf ein Minimum beschränken sollten. Aber ich biete immer Gottesdienste an und bin übers Telefon erreichbar. Zudem, wie erwähnt, schreibe ich seit vergangenen März Briefe, um mit den Menschen in der Pfarrei in Kontakt zu bleiben.

Wer bekommt diese Briefe?

Haupt-und Ehrenamtliche erhalten diese Briefe per Post, Briefkopien liegen zum Mitnehmen in den Kirchen der Gottesdienstorte der Pfarrei an der Lenk, in Zweisimmen und in Gstaad auf. Gleichzeitig sind diese Briefe online auf der Pfarreiwebseite. Darauf habe ich viele schöne Reaktionen erhalten - gerade auch von älteren Menschen.

Und die Weihnachtszeit?

Als im November auch im Kanton Bern die «15er Regelung» galt, haben wir im Gegensatz zu einigen Pfarreien im Kanton Bern und sogar im eigenen Pastoralraum Bern Oberland nicht einfach Gottesdienste ausfallen lassen, sondern das Gottesdienstangebot auch über die Weihnachtszeit erhöht.

Warum?

Mir war es wichtig, in der Krise den Pfarreiangehörigen und Tourist*innen, denen die Gottesdienstteilnahme ein Herzensanliegen ist, dies auch zu ermöglichen. Bis zu sieben Gottesdienste habe ich seither jeweils an einem Wochenende gefeiert. Dies bedeutet für das Team, die Sakristan*innen, die Lektor*innen, die Organist*innen und Tracinglistenschreiber*innen und besonders für mich einen Mehraufwand, den wir alle gern für die Glaubensgemeinschaft aufbringen.

Wen trifft die Krise besonders?

Die Krise trifft neben den älteren Menschen, den Gastronom*innen und Kulturschaffenden auch die Saisonniers. Viele von ihnen hat man wegen der aktuellen Situation gar nicht kommen lassen – Das tat auch den Hoteliers weh, die mit diesen Menschen vielfach schon fast familiär verbunden sind. Viele Saisonniers arbeiten seit Jahren immer am gleichen Ort. Und dann natürlich der Ausfall aller grossen Veranstaltungen in den Sommermonaten: Tennis-, Polo- oder Beachvolleyballturnier und das weltbekannte Menuhin-Musikfestival. Die Wertschöpfung aus all diesen Anlässen fiel weg, das hat schwer getroffen.

Gibt es auch Positives zu vermelden?

Im Sommer kamen wegen der Reisebeschränkungen viele Schweizer*innen zum ersten Mal in unsere Region. Am Lauenensee musste man teilweise eine halbe Stunde für Kaffee anstehen. Und viele Ferienwohnungen waren auch während der Nebensaison belebt.

Wie kam das?

Gäste und Chaletbesitzer*innen aus dem In- und Ausland, beispielsweise aus Paris oder London, haben von hier aus im Home-Office gearbeitet. Sie sagten sich im Lockdown wohl: Zuhause darf ich die Wohnung gar nicht verlassen, hier immerhin noch in der schönen Bergumgebung spazieren.

Gstaad ist ja auch ein beliebter Aufenthaltsort für die Reichen und Schönen –besonders im Winter. Haben Sie als Pfarrer von Gstaad auch mit prominenten Persönlichkeiten zu tun?

Ja, ich hatte schon Hochzeiten mit Mitgliedern aus Fürstenhäusern, goldige Hochzeit mit einer sehr bekannten italienischen Familie, die man aus der Kaffeewerbung kennt, und zahlreiche Taufen von Kindern aus vielen Ländern Europas oder gar Übersee. Das fordert grosse Flexibilität und Sprachgewandtheit. Aus diesem Grund gestalte ich in Gstaad Gottesdienste stets dreisprachig.

Wie machen Sie das?

Ich wechsle beständig zwischen Deutsch, Italienisch und Französisch. Das wird derart geschätzt, dass die französischsprachigen Gäste nun für den Sonntagsgottesdienst in Gstaad bleiben und nicht mehr nach Château d’Oex fahren. In der Hochsaison habe ich jedenfalls die Kirchen immer voll.

Englisch müssen Sie sicher auch beherrschen. Es kommen ja immer auch sehr viele englische Gäste nach Gstaad.

Gäste aus aller Welt! Die Gäste aus England und den USA sind mehrheitlich Anglikaner*innen, beziehungsweise Baptist*innen - also reformiert. Für sie gibt es eigens in Chateau d’Oex eine englischsprachige Pfarrei.

Und was ist mit den vielen Angestellten mit Migrationshintergrund?

Ganz wichtig. Die Portugies*innen, Italiener*innen und Menschen aus Deutschland, die in den Hotels arbeiten, sind grossmehrheitlich Katholik*innen – mit ihnen wächst die katholische Präsenz, denn diese Leute werden auch sesshaft. Da merkt man, dass wir nicht nur hier, sondern überall im Bistum Basel mehr und mehr eine Migrationskirche sind.

Und die Prominenten? Kommen die trotz Corona?

Auch über die Weihnachts- und Neujahrstage standen die Chalets erfreulicherweise nicht leer.

Und wie sieht es generell für die diesjährige Wintersaison aus?

Wie gesagt: Mit den Buchungen für Januar, Februar sieht es schlecht aus. Aber die Restaurants, die ja geschlossen haben müssen, legen einen unglaublichen Ideenreichtum an den Tag. Wenn man durchs Dorf geht, findet man dank Take Away-Angeboten fast alles, was das kulinarische Herz begehrt. Und da der Skiort Gstaad verschiedene Einstiegsmöglichkeiten zu den Pisten bietet, verteilen sich Skifahrer*innen sehr gut und so kommt es auch nicht zu Menschenansammlungen.

 

Was es bedeutet, im grössten Pastoralraum des Bistums Basel zu arbeiten, erzählt Alexander Pasalidi im zweiten Interview mit "Horizonte Aargau".

 

Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst im Aargauer Pfarrblatt «Horizonte»

 

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