Bild: Vor dem Brand: Volksaltar in der Kathedrale Notre Dame de Paris, im Hintergrund die marmorne Pietà. Foto: wikimedia commons

Ein Stückchen Brot

Wir dokumentieren hier die Predigt von Michel Aupetit, Erzbischof von Paris, in der Pfarrkirche Saint-Eustache, vom Ostersonntag, 21. April 2019.

Die Kathedrale Notre Dame in Paris wurde durch einen Brand schwer beschädigt. Wichtige Teile konnten gerettet werden. Für die Osterpredigt musste die Gemeinde ausweichen. Wir dokumentieren hier die Predigt von Michel Aupetit, Erzbischof von Paris, in der Pfarrkirche Saint-Eustache, vom Ostersonntag, 21. April 2019.

«Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat», berichtet eine atemlose Maria Magdalena den beiden Aposteln Petrus und Johannes. Wo ist der Leib Christi?

Dies war wohl die brennendste Frage am Montagabend nach dem Brand von Notre-Dame in Paris: «Wo ist der Leib Christi»? Die Kathedrale musste gerettet werden, und auch der Kirchenschatz aus Goldschmiedearbeiten, die sich über viele Jahrhunderte angesammelt hatten. Für die Gläubigen musste aber auch eine unendlich kostbare Reliquie gerettet werden: die Dornenkrone Jesu, die der heilige König Ludwig IX aus dem Heiligen Land gebracht hatte.

Eine angstvolle Frage erfüllte jedoch mein Herz: «Wo ist der Leib Christi»? Hatte man das Allerheiligste Sakrament in Sicherheit bringen können? Der Leib Christi, der sich im Tabernakel befand?

Denn für diesen Leib, verborgen in der Erscheinung eines Stückchens Brot, wurde diese Kathedrale erbaut. Was also ist das Wertvollste? Die Kathedrale, der Kirchenschatz oder das Stückchen Brot?

Das Stückchen Brot, das ist der Leib Gottes, der Leib Christi, sein auferstandener Leib, nicht greifbar, ausser wenn er sich uns schenkt. Und er schenkt sich uns: «Niemand entreisst es mir, sondern ich gebe es hin». Und dann dies, was wir am Gründonnerstag feierten: «Nehmet, esset, das ist mein Leib». Dieses Stückchen Brot ist das Leben Gottes, das sich uns mitteilt. Dieses Stückchen Brot gibt denen, die es empfangen, ewiges Leben. Es öffnet uns die Pforten des Himmels, es lässt uns an der Auferstehung Christi teilhaben, dieser Auferstehung, die wir heute feiern und die unsere eigene Auferstehung im Fleische sein wird bei seiner Wiederkunft, die wir am Ende der Zeit erwarten.

Wir wollen die Kathedrale retten. Diese prachtvolle Hülle ist gleichsam eine grossartige Manifestation des menschlichen Geistes zu Ehren der Liebe eines Gottes, der sich aus Liebe hingibt und für dieses Opfer einer von uns wurde.

Lasst uns den Glauben der Erbauer ehren, die menschliche Schöpferkraft mit göttlicher Gnade zu vereinen wussten.

Heute ehren wir aber auch unsere hochgeschätzten Feuerwehrleute, die ihr Wissen, ihren Mut und ihr Können unter Beweis stellten. Wir danken ihnen, dass sie das Wesentliche bewahren konnten, auch unter Einsatz ihres Lebens. Als sich die Gebete des ganzen Volkes Gottes mit eurem Mut und fachlichen Können vereinten, war noch alles möglich. Und es wurde möglich. Euch gilt unser aller tiefster Dank.

Aber ich möchte auch meinen herzlichsten Dank dem Kaplan der Feuerwehrleute aussprechen, Pater Fournier, der den Leib Christi, das Allerheiligste Sakrament, dieses Stückchen Brot, das diesem herrlichen Gebäude Leben verleiht, aus der Kathedrale rettete. Auch er ging ein grosses Risiko ein, um ein Stückchen Brot zu retten, denn es ist der auferstandene Leib unseres Herrn. Das ist es, was wir heute feiern und wie wir dies auch jeden Sonntag tun, der ja zum wichtigsten Tag unserer Woche geworden ist, denn es ist der Tag seiner Auferstehung.

Die Apostel eilten zum Grab Jesu, wo sie seinen Leib nicht finden konnten, und sie glaubten. Wir haben den auferstandenen Leib Christi gefunden. Und auch wir glauben.

Michel Aupetit,
Erzbischof von Paris

 

Mehr zum Thema:
Berichterstattung über den Brand der Kathedrale Notre Dame auf «pfarrblatt» online vom 16. April 2019

 

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