«Eucharistie ist nicht nur Sonntag.» Pater Antonio Grasso in der Kirche der Missione. Foto: Pia Neuenschwander

Eine Mission stellt sich dem Wandel

Seit 1927 gibt es die italienischsprachige Missione in Bern. Pater Antonio Grasso schaut zurück - und nach vorn.

Die Mission für die italienisch sprechenden Katholikinnen und Katholiken arbeitet seit 90 Jahren in Bern. Die Missione betreut aktuell 7500 Mitglieder. Pater Antonio Grasso, Leiter der Mission, über die Veränderungen der Aufgaben in der Berner Italienerseelsorge.

«pfarrblatt»: Pater Antonio, 1927 startete die italienische Mission in Bern mit ihrer Tätigkeit. Was unterscheidet den damaligen Anfang von der heutigen Seelsorge?
Pater Antonio: Die Mitglieder. 1927 kamen junge Menschen der ersten Generation in die Schweiz. Sie suchten Arbeit, wollten Geld verdienen, um dann zurück nach Italien zu gehen. Da war zuerst kein Interesse in der Schweiz zu bleiben. Die Schweizer Gesellschaft brauchte Arbeiter für den Bau, für die Bahn, den Gotthard. Heute haben wir verschiedene Generationen, verschiedene Nationalitäten, auch verschieden qualifizierte Arbeitssuchende, die wir betreuen. Die zweite bis vierte Generation ist hier in der Schweiz aufgewachsen, die Familien sind geblieben. Neu kommen auch verschiedene Nationalitäten dazu. Eritreer, aber auch Spanier, Portugiesen und weitere.

Das hat die Arbeit der Missione verändert?
Ja. Das sehen Sie an unserer neuen Bezeichnung. Wir heissen nicht mehr Missione Cattolica Italiana, sondern Missione Cattolica di lingua Italiana, also italienisch sprechende Mission. Massgebend ist nicht nur das Land, sondern vor allem die italienische Sprache. Unsere täglichen Gottesdienste besuchen Menschen aus sieben Nationen. Zudem gibt es, anders als 1927, mehr hoch qualifizierte Berufsleute, die ein paar Jahre in der Schweiz arbeiten und dann durch ihre Firma in weitere Länder geschickt werden.

Sind die Menschen der zweiten bis vierten Generation in den Ortspfarreien integriert?
Sie haben ein grösseres Netzwerk in der Schweiz – Verwandtschaft, Freunde, Vereine, beruflich – und sie sind zweisprachig. Die Kinder wollen oft mit ihren Schulkameraden den Religionsunterricht in der Ortspfarrei besuchen. Das ist kein Problem für uns. Neue Migranten, Flüchtlinge, hoch qualifizierte Arbeitskräfte brauchen uns als Ansprechpartner, auch weil sie die deutsche Sprache noch nicht beherrschen.

Flüchtlinge haben andere Bedürfnisse als die «Einheimischen».
Ja, es sind mehr soziale Bedürfnisse, und wir machen wieder das, was die Missione 1927 schon gemacht hat: Wir helfen bei der Wohnungssuche, bei der Vermittlung zu Ämtern, Botschaften und Behörden. Die praktische Hilfe bekommt mehr Gewicht. Über Facebook erreichen uns öfters Anfragen von jungen Menschen, die in die Schweiz kommen und Hilfe und Tipps benötigen, die eine Arbeitsstelle suchen. Wir haben Kontakt mit temporären Arbeitsvermittlungen, mit Gewerkschaften, um herauszufinden, wie wir sie praktisch unterstützen können.

Veränderten sich auch die Bedürfnisse der in Bern integrierten Generationen?
Das zeigt sich beispielsweise bei den Vorbereitungskursen für Eheleute. Heute gibt es zweisprachige Paare, gemischte Nationalitäten, gemischte Konfessionen. Ich freue mich darüber. Das zeigt, dass sich die Gemeinschaft neu zusammensetzt. Multikulturalität betrifft auch uns.

Prägen diese Veränderungen auch Ihre persönliche Theologie und Ihren Umgang mit der Seelsorge neu?
Ich kann es so beschreiben: Ich habe in Rom Theologie studiert, darunter auch Ökumene. Ich habe aber erst in der Schweiz begriffen, was Ökumene eigentlich bedeutet. Das hat mich verändert. Ich verstehe durch diese Erfahrung meinen Glauben besser. Ich stamme aus Süditalien. Da gibt es im Volksglauben auch Bräuche, die an Aberglauben grenzen. Soziale Hilfe ist da nicht sehr verbreitet. Gerade von der reformierten Kirche in der Schweiz lernte ich, wie wichtig Diakonie, die direkte Hilfe für die Menschen ist. Katholischerseits sind wir mehr konzentriert auf die Liturgie. Das ist aber nur ein Teil unseres Glaubens.

Eine neue Studie zeigt auf, dass die anderssprachigen Missionen kirchlich eher konservativ orientiert sind. Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Frage des Priesteramtes für die Frau?
Um was geht es bei dieser Frage wirklich? Im Zentrum steht die Eucharistie für die Gemeinde. Wir haben zu wenig Priester. Das dezimiert die Möglichkeit der Gläubigen, die Eucharistie zu empfangen. Es geht also um einen Dienst für Menschen und nicht um eine Machtfrage. Wenn dieser Dienst im Zentrum steht, sehe ich persönlich keine Probleme, dass auch Frauen Priesterinnen sein können. Wir danken im Hochgebet für die Früchte der Arbeit. Eucharistie ist nicht nur Sonntag, sondern und vor allem der Werktag, an dem wir arbeiten. Diese Früchte der Arbeit gehören genauso zur Eucharistie. Es geht für mich also nicht um Geschlecht, Rolle oder Machtkampf in der Amtsfrage. Es geht um den Dienst am Menschen. Neue junge Migranten heute sind kirchlich eher traditionell geprägt. Die Menschen aus der dritten und vierten Generation, die sich integriert haben, stehen diesen Fragen offener gegenüber.

Die Eucharistie ist das Zentrum, sagen Sie. Wie erklären Sie das einem Menschen, der sich kirchlich nicht auskennt?
Mit dem Johannes-Evangelium. Dort finden wir keine Erzählung des Abendmahles, sondern eine über die Fusswaschung. Das ist die Perspektive der Missione. Nicht drinnen in der Liturgie beginnt unsere Arbeit, sondern draussen, bei den Menschen.

Interview: Jürg Meienberg

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