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Einsamkeit, die –

Zwischen Solidarität und Distanz: Weihnachten 2020

Man könnte viel über Weihnachten schreiben, über menschliche Nähe, gemeinsame Abende, Liebe. Aber dieses Jahr ist alles anders. Während des Zweiten Weltkriegs, den unsere Ältesten noch erlebt haben, war Weihnachten ein Moment des Bruchs mit der furchterregenden Realität, ein Ausbruch aus der Angst, der Unsicherheit. Heute ist es umgekehrt – Weihnachten wird zum Sinnbild der Unsicherheit und konzentriert das, was das ganze Jahr über schon notwendige und traurige Richtschnur unseres Handelns war: Bleibt zu Hause. Meidet den Kontakt mit Mitmenschen.

Ich bin nicht einsam. Ich lebe in einer WG mit Menschen, die da sind, wenn der Dezember grau ans Fenster drückt. Doch ich bin 25 und damit in der Minderheit. Da sind die, deren Leben von der Pandemie akut bedroht ist. Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen und solche, deren Abwehr nicht so solide ist wie meine. Da sind die, die allein sind und die ihre Enkel gerne sehen würden, weil sie wissen, dass sie nicht mehr viele Weihnachtsfeste vor sich haben. Oder jene, die sich eine*n Partner*in wünschen, jemanden, um den Alltag zu teilen. Ich verstehe, dass nicht die unter der Isolation leiden, die über einen einigermassen beständigen Freundes- und Bekanntenkreis verfügen, sondern jene, die sowieso schon isoliert waren – weil sie sozial benachteiligt, eher introvertiert oder ängstlich sind. Oder älter, nicht mehr so aktiv und mobil und auf Menschen angewiesen, die sie besuchen.

In dieser Situation ist es nur ein vermeintlicher Trost, dass es uns allen gleich geht. Denn das tut es eben nicht. Es gibt immer solche, denen es schlechter geht. Jene, die am lautesten nach Isolation und Solidarität rufen, sollten sich bewusst sein, dass es auch die gibt, die sich Solidarität weniger leisten können. Ja, wir sollen uns distanzieren. Der Lockdown ist notwendig und der Schutz von Leben nicht verhandelbar. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass einige, wie immer, einen höheren Preis dafür bezahlen. Gerade an Weihnachten.

Sebastian Schafer 

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