Blick um die Ecke. Videokünstler Peter Aerschmann. Foto: zVg

«Es ist wie eine Zeitreise ins alte Bern»

Eine Video-Installation des Berner Künstlers Peter Aerschmann in der Französischen Kirche erzählt von ihrer Geschichte, welche einst als Dominikanerkloster begann.

Er hat drei Videos für einen Spaziergang der besonderen Art geschaffen: Beim sogenannten Lettner in der Französischen Kirche erzählen sie von einer Geschichte, die einst als Dominikanerkloster begann. Wir sprachen mit dem Berner Künstler Peter Aerschmann über seine Installation, die noch bis 18. September zu sehen ist.

«pfarrblatt»: Wie kommt ein zeitgenössischer Künstler zu einer Auftragsarbeit in einer Kirche? Haben Sie einen religiösen Hintergrund?
Peter Aerschmann: Ich bin im Freiburgischen ziemlich traditionell katholisch aufgewachsen, im Dorf Plaffeien. Wir gingen jeden Sonntag in die heilige Messe. Ich war sogar Ministrant, regelmässig auch in der Frühmesse – ich glaube, diese begann bereits jeweils um 6.45 Uhr. Kirche war für mich also normal, hat zum Dorf gehört. Mit meinem Wegzug hörte das auf und ist heute kein Teil meines Lebens mehr. Aber ich habe mich nicht gegen die Kirche gewehrt. Sie war für mich ein guter Ort. Aber sie wurde schlicht unwichtig, während andere Dinge an Bedeutung gewannen. Doch das war kein Auslöser für die Anfrage an mich, sondern meine Arbeiten.

Sie realisieren nur selten Auftragsarbeiten?
Ja, aber diese hier tönte spannend. Es geht ja nicht einfach um eine Kunstinstallation, sondern auch um die einzigartige Geschichte dieser Kirche. Entstanden sind drei 18minütige Installationen – je eine unter jedem Lettner-Joch widmet sich einer andern Epoche dieser Geschichte.

Angekündigt ist es als «Video-Spaziergang», also nicht als klassische Projektion auf Leinwand, sondern eher eine flüchtige Inszenierung im Raum?
Spaziergang ist das richtige Wort. Es läuft nicht wie im Kino, man kann sich drin bewegen. Das Programm beginnt irgendwo, die Teile fügen sich allmählich zusammen, die Leute müssen keinem Ablauf folgen. Die Installation findet nicht in einem abgedunkelten Raum statt, sondern jeweils unter einem Lettner-Joch. Es entsteht ein Zusammenhang mit den Bildern in der Kirche. Die Bilder vom Video sieht man im Lettner auch original – es entsteht eine Art Gespräch.

Sie erzählen mit einem neuen Medium alte Geschichten. Kannten Sie zuvor die Französische Kirche?
Mein Atelier liegt im Progr beim Waisenhausplatz. Auf dem Weg komme ich täglich an der Französischen Kirche vorbei. Ich habe nicht gewusst, dass dies die älteste Kirche der Stadt ist. Ich lief vorbei und hatte keinen Bezug. Nun sehe ich das Gebäude mit andern Augen und stelle mir vor, was alles passiert ist: Was hat sich verändert? Was befand sich dort, wo heute das Stadttheater steht? Wo lag der Klostergarten? Wie wichtig war das Kloster für die Stadt? In mir entsteht ein Film einer superspannenden Geschichte, die mich überrascht. Wie sind die Leute hier wohl rumgelaufen? Wie sah alles aus?

Es rentiert sich, nicht mehr vorbei zu gehen? In der Französischen Kirche habe ich wieder mal entdeckt, wie schön es ist, in diesem Raum zu sitzen mitten in der Stadt – rundum das Stadtgeschehen, der Lärm bleibt draussen, ich nehme mir Zeit, ich bin weg vom Ganzen. Es ist ein ruhiger Ort zum Nachdenken, ein grosser Vorteil der Kirchen in jeder Stadt, um ein paar Minuten zur Ruhe kommen.

Sie stellen ja sonst in Moskau oder Mailand aus. Wie war’s für einmal quasi um die Ecke Ihres Ateliers eine Installation aufzubauen?
Es liegt nur ein Haus zwischen meinem Atelier und der Kirche. Aber die Reise dorthin war genauso weit, wie wenn ich nach Moskau fliege. Es war eine andere Welt, die sich öffnete. Für eine lange und gute Reise braucht es nicht tausende von Kilometern. Manchmal reicht es, um die Ecke zu gehen. Andererseits reist man oft weit und findet nur, was man bereits kennt. Hier aber konnte ich Neues finden, eine unbekannte Welt entdecken und versuchen, sie zu verstehen: wie eine Zeitreise ins alte Bern.

Dieser Auftrag hat Sie offensichtlich begeistert?
Ich hatte keine genaue Vorgabe. Wir haben gemeinsam Ideen gesucht, über geeignete Plätze nachgedacht und Inhalte entwickelt – es wurde eine Art Gruppenarbeit. Ich konnte mit den kompetenten Kunsthistorikerinnen Charlotte Gutscher und Kathrin Utz Tremp zusammenarbeiten, welche die Kirche genau kennen. Ihr Wissen konnte ich unkompliziert abholen, so entstand eine grossartige Zusammenarbeit.

Welches Thema betraf Sie am stärksten?
Die Geschichte der Hugenotten, von Künstlern, Webern, Händlern, die als Flüchtlinge nach Bern kamen und in diesem Kloster bleiben konnten. Angesichts der heutigen Flüchtlingsthematik haben mir diese Ereignisse besonders zu denken gegeben. Meine Bilder regen vielleicht an hinzuschauen, wie das damals war, als die Flüchtlinge ankamen.

Gespräch: Karl Johannes Rechsteiner

Alle Veranstaltungen und weiterführende Informationen: www.egliseberne.ch

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