Bruno Brantschen ist Jesuit und lebt und arbeitet im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn bei Zug (www.lassalle-haus.
org). Er ist zuständig für die Bereiche Exerzitien, geistliche Begleitung und Langzeit-Gäste.

Exerzitien – Exorzismus, Exerzieren?!

Bruno Brantschen erklärt, was Exerzitien sind und wie man üben kann, auf Gottes Stimme zu hören.

Überall im Kanton Bern gibt es Angebote zu «Exerzitien im Alltag». Was ist das genau, oder, spirituell gefragt: Wie kann man üben, auf Gottes Stimme zu hören?


von P. Bruno Brantschen SJ


Versuche ich «Exerzitien» zu erklären, wird oft nachgefragt: Meinst du «Exorzismus»? – Verneine ich, gleiten die Assoziationen zum Militär: Aha, «Exerzieren». – Nein. Exerzitien haben nichts zu tun mit obskuren Teufelsbeschwörungen. Das landläufige Bild von Exorzismus hat wenig gemeinsam mit der Bibel. Es ist auch nicht militärischer Drill. – Der Ausdruck «Exerzitien» kommt vom lateinischen exercere: üben.

Wie Exerzitien entstanden sind

Wer Exerzitien verstehen will, muss Ignatius von Loyola (1491–1556), Gründer des Jesuitenordens, kennenlernen. Als junger Mann hegte er grossspurige Träume von einem Leben als Ritter und Edelmann. Seine Karrierefantasien jedoch zerbrachen an einer Kriegsverletzung. Er stürzte in eine Krise. Wie weiter? Ans Krankenlager gefesselt, begann Ignatius Geschichten über das Leben Jesu und der Heiligen zu lesen. Er meditierte sie und fand Gefallen.

Was nun? Stundenlang schwelgte er in Ritterfantasien. Dann wieder versetzte er sich in die Heiligen, denen die Freundschaft mit Jesus alles war. Und wieder Ritterkarriere. Hin und her. Zuerst viel inneres Wirrwarr. Dann machte Ignatius die Entdeckung seines Lebens: die «Unterscheidung der Geister», d.h., er lernte die unterschiedlichen Stimmen in sich zu entziffern. Er merkte, was hohl und leer war, ihn in die Irre führte.

Und er fand die Stimme in sich, die ihm wirklich Frieden bringen konnte; bekam ein immer klareres Gespür, was in die Freundschaft mit Jesus passte und was nicht. Ignatius entschied sich, Jesus nachzufolgen. Im Hören auf die innere Stimme lernte er den Weg kennen, den Gott ihm zugedacht hatte: Ignatius sah fortan die Berufung darin, anderen zu helfen, indem er seine Erfahrungen weitergab. Dazu schrieb er die «Geistlichen Übungen», das Exerzitienbuch, als Anleitung für Suchende.

Warum Exerzitien wie Musik sind

Ignatius will Menschen mit Exerzitien helfen, unter den vielen Stimmen, die an einem reissen, auf das zu hören, was Gott will. Zur Erklärung ein Bild aus der Musikwelt: Damit eine Symphonie entsteht, werden die verschiedenen Instrumente gestimmt am Kammerton. In den Exerzitien ist der Kammerton die «Stimme» Gottes, die jeden Menschen an den Platz ruft, wo er seine einmalige Melodie spielen kann.

In besonderer Weise lässt Gott sich durch das Leben Jesu vernehmen. In Exerzitien werden «die Saiten des Herzens» durch Meditation und Betrachtung vor allem am Kammerton Jesu gestimmt. Ausgerichtet auf ihn, achten Übende auf das Echo, welches äussere und innere Ereignisse im Herzen erzeugen Nehmen wir z.B. eine getroffene Entscheidung: Trifft sie den Ton? Ist sie stimmig? Dann ist ihr Nachklang Freiheit, Freude, nachhaltiger Friede.

Sie macht das Leben vertrauens-, hoffnungs- und liebevoller. Oder aber: Erzeugt sie lauter Misstöne? Entmutigt und überfordert, verwirrt und zerreisst sie? Lässt sie jemanden vor allem um sich, seine eigenen Bedürfnisse und Befürchtungen kreisen?

Wie Exerzitien auf den Menschen zugeschnitten sind

Exerzitien wollen den ganzen Menschen ansprechen. Daher gibt es verschiedene Formen: Die Ur-Form dauert 30 Tage. Es geht aber auch kürzer. Zweitägige Einführungen laden zum Schnuppern ein. Weit verbreitet sind einwöchige Einzelexerzitien mit täglichen theologischen, biblischen und methodischen Impulsen. Daneben existieren auch Exerzitien mit Filmen, Wandern, Bibliodrama und Singen. Ein Exerzitientag zeigt, was wichtig ist: die Stille.

Sie macht das aufmerksame Hören erst möglich. Ablenkungen werden gemieden. Man nimmt sich viel Zeit für sich und Gott. Drei- bis viermal beten Übende rund eine Stunde mit biblischen, manchmal auch mit literarischen Texten. Man trifft sich zu Morgengebet, Gottesdienst, Mahlzeiten und Tagesrückblick. Ausserdem gibt es täglich ein Gespräch mit einer Begleitperson. – Exerzitien sind eine Hörschule. Das behutsame Stimmen am Kammerton, das achtsame Hören auf den Nachklang – all das braucht Übung.

 


Exerzitienangebote im Raum Bern: http://www.kathbern.ch/exerzitien

 

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