Existenziell statt betroffen

Nach acht Jahren verlässt Ludwig Spirig- Huber die Leitung der Kommunikationsstelle der Katholischen Kirche der Region Bern. Quasi als Vermächtnis hinterlässt er einen Buchtipp.

Nach acht Jahren verlässt Ludwig Spirig- Huber die Leitung der Kommunikationsstelle der Katholischen Kirche der Region Bern. Quasi als Vermächtnis hinterlässt er einen Buchtipp. Ein Gespräch.

Interview: jm

«pfarrblatt»: Ludwig, mit 61 und nach fast 40 Jahren kirchlichem Engagement verlässt Du die Katholische Kirche Region Bern, um Dich ganz Deinem Reisebüro «Terra Sancta Tours AG» zu widmen. Du hast in Deinem Arbeitsleben als Theologe gepredigt, als Redaktor geschrieben und als Kommunikator die richtigen Worte gesucht. Nun ist Dir das neue Buch von Erik Flügge, einem Kommunikationsberater und Politologen aus Deutschland, richtig eingefahren, wie Du sagst.
Ludwig Spirig:
Der Umgang mit Sprache in all den drei beruflichen Bereichen war mir immer wichtig und ich habe mich um Verständlichkeit bemüht. Flügge schreibt im Titel: «Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt ». Diese Aussage kann man grenzwertig finden. Ich finde diese Aussage in einem guten Sinne grenzwertig.

Warum?
Sie definiert die Grenze zwischen kirchlicher Betroffenheitssprache und gewöhnlicher Rede des Alltags. Kirchliche Sprache ist eine ganz besondere Sprache. In bestimmten Wort- und Satzgebilden versucht sie, den Menschen eine gewisse Realität zu vermitteln. Das ist eine völlig andere Sprache, als die, die man normal spricht. Theologen müssten laut Flügge in ihren Predigten so über Gott sprechen, wie sie beim Bier darüber sprechen würden.

Flügge selbst verweist allerdings darauf, dass dieses Biergespräch nicht oberflächlich sein dürfe.
Theologie hat den Anspruch, immer gleich in die Tiefe gehen zu wollen. Sie erreicht aber mit ihrem Betroffenheitspathos nur selten das Herz.

War die Lektüre von Flügge für Dich im Blick auf andere relevant, oder auch im Blick auf Dich selbst und Deine Sprache?
Natürlich auch für mich, weil ich mich im Rückblick fragte, gab es Erlebnisse, in denen ich den Forderungen von Flügge gerecht geworden bin, und was gelang eben nicht.

Flügge fordert: Kommunikation soll verwundern, irritieren oder erschrecken, damit sie die Menschen erreicht. Ist Dir das gelungen?
In Malters feierten wir einen Familiengottesdienst zu Karfreitag. Wir platzierten die rund 150 Teilnehmenden im Chor der grossen Kirche, liessen sie in das grosse leere Schiff schauen, lasen den ersten Teil aus der Emmaus-Geschichte. Und wir baten die Organistin während des gesamten Gottesdienstes ständig den tiefsten Ton der Orgel zu spielen. Dieser Ton, die kurze Geschichte und die leere Kirche hinterliessen einen grösseren Eindruck als eine lange Liturgie. Es war eine Sprache, die bei den Anwesenden sehr tief ging.

Und als Kommunikationsbeauftragter?
In einer Krisenintervention gelang es uns, die Sache klar zu benennen, die Menschen dahinter aber mit Respekt zu behandeln.

Wem würdest Du die Lektüre empfehlen?
Allen, die in der Kirche kommunizieren, Seelsorgende, Menschen die predigen, Pfarreiund Kirchgemeinderäte. Die Anregungen von Flügge sind existenziell. Und das ist gut für die Glaubwürdigkeit von kirchlicher Sprache.

Das Buch:
Erik Flügge, «Der Jargon der Betroffenheit – wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt»
Kösel 2016, 160 Seiten, Fr. 22.90

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