Neue Regeln auch in Gotteshäusern. Handdesinfektion beim Kircheneingang. Foto: Pia Neuenschwander

Gewohnheiten kreativ trotzen

Gottesdienste nach dem Lockdown. Nachgefragt in Spiez und Bern.

Zwei Wochen früher als geplant sind sie doch wieder erlaubt worden: Gottesdienste. Doch unter strengen Auflagen: ohne Singen, ohne Kirchenkaffee , aber mit Kommunion in obligatem Abstand – und kreativem Friedensgruss.

Von Marcel Friedli

Pfingsten, ein magisches Fest im Kirchenjahr. Dieses Jahr hat es um weitere Funken an Magie gewonnen: Nach zehn Wochen Zwangspause gab es kurzfristig, früher als erwartet, grünes Licht, auch aufgrund der vereinigten Initiativen von Kirchenvertretern: Exakt seit Pfingsten ist es wieder erlaubt, Gottesdienste zu feiern. Das ist symbolträchtig: sage und schreibe zu Pfingsten – zum Geburtstag der Kirche.

Das lassen sich die rund vierzig Personen, die am Pfingstgottesdienst in Spiez dabei sind, nicht entgehen. Sie sind zum Teil aus den vielen umliegenden Gemeinden und Weilern extra angereist. Ihnen präsentiert sich eine neue Situation: Sie dürfen sich nicht mit stärkendem Weihwasser bekreuzigen. Stattdessen müssen sie sich mit reinigendem Desinfektionsmittel die Hände einreiben.

Zudem sind die Stühle im ganzen Raum verteilt, im obligaten Abstand von zwei Metern: zur Seite, nach vorne. «Deshalb wirkte die Kirche gar voller als sonst», sagt Gabriele Berz, Gemeindeleiterin der Pfarrei Bruder Klaus Spiez, die dafür verantwortlich ist, dass hier die Corona-Massnahmen des Bundes eingehalten werden.

Mit Humor

Es ist anders als über Jahrzehnte eingespielt, zum Beispiel bei der Kommunion: Der Priester geht zu den Menschen hin, die auf den Stühlen sitzen und reicht ihnen mit ausgestreckter Hand die Hostie. «So ist der Abstand so gross wie möglich. Und es kommt kaum zu Bewegung im Raum, bei der man sich körperlich näher als erlaubt kommt», erklärt Gabriele Berz. «Dies wurde zum Teil mit einem Lächeln quittiert, als würde man sagen: Spielen wir dieses Spiel halt mit, wenn die Vorschriften so sind.»

Nicht ganz mitgespielt wird beim Gesang – die Versammelten dürfen singen, obwohl im Schutzkonzept geraten wird, darauf zu verzichten. «Dies», beteuert Gabriele Berz, «ist jedoch eine Ausnahme, wegen Pfingsten.»

Trotz des Bemühens, den Leitlinien gerecht zu werden: Manchmal gehe dies auch mit gutem Willen nicht, sagt Gabriele Berz. «In der Sakristei zum Beispiel ist es fast unmöglich, den verlangten Abstand einzuhalten, weil sie relativ klein ist. Auch mit einem Minimum an Personen und mit Achtsamkeit kommt man sich gezwungenermassen näher, als dies die Regeln verlangen.»

Ebenso wäre dies beim Kirchenkaffee der Fall. Darum fällt es aus. «Das bedauern wir sehr, denn das Zusammensein und der Austausch danach haben einen speziellen Wert für Menschen, die Mitglied einer Kirche in der Diaspora sind», sagt Gabriele Berz.

Auch wenn die Regeln strikt sind: Hier und dort ermöglichen sie neues Kreativwerden. Zum Beispiel beim Friedensgruss. Der legendäre Händedruck ist tabu. «Stattdessen haben sich die Anwesenden zugelächelt, zugewinkt, sich in die Augen geschaut. Auch so kann man einander Frieden wünschen.»

Gabriele Berz zieht eine positive Bilanz. «Ich war zwar am Anfang skeptisch, weil das Schutzkonzept innert weniger Tage und früher als erwartet umzusetzen war. Unabhängig davon, ob es sich um eine grosse oder kleine Kirche handelt, ist der Aufwand derselbe. Dass nun alles so gut verlaufen ist, freut mich sehr. Wie es sein wird, wenn von nun an auch der Gesang ganz wegfällt: Darauf bin ich gespannt.»

Im Namen des...

Gespannt, angespannt ist auch Jeannette von Moos in der Dreifaltigkeitskirche in der Stadt Bern. Als Stabsstellenleiterin Basilika und Assistentin der Gemeindeleitung ist sie dafür zuständig, dass die Schutzbestimmungen BAG-konform umgesetzt werden. Wird alles wie minutiös geplant klappen?

Der grosse Moment: Pfingstsamstag um halb fünf ziehen Priester Christian Schaller und die Messdiener in die Basilica ein. «Die Menschen freuten sich, wieder Gottesdienst feiern zu dürfen», sagt Jeannette von Moos. «Auch ich war emotional sehr berührt.»

Glücklich, wieder die Messe zelebrieren zu dürfen, ist auch Christian Schaller. Als er zur Begrüssung «Im Namen ...» ansetzt, beginnen sich die knapp 120 Anwesenden zu bekreuzigen – halten verblüfft inne und lachen, als er sagt: «... des Kirchgemeinderates.» Bei der liturgischen Begrüssung ist der Wortlaut wie gewohnt. «Beruhigend zu merken, dass alle noch wissen, wie es geht», sagt Jeannette von Moos mit einem Schmunzeln.

An den fünf Messen zwischen Pfingstsamstag und -montag sind jeweils zwischen 80 und 150 Menschen anwesend; ohne Abstandsgebot bietet die Basilica 800 Personen Platz. Es habe alles bestens geklappt, sagt Jeannette von Moos. «Das Verständnis der Menschen für die neuen Spielregeln ist gross. Es ist ihnen bewusst, dass die Gesundheit oberste Priorität hat und es gilt, die Regeln einzuhalten. Regeln, an die sie sich im Alltag bereits gewöhnt haben: Zum Beispiel ist es beim Einkaufen Standard, sich die Hände zu desinfizieren, wenn man einen Laden betritt. Und so ist es nun auch in der Messe.»

Deswegen soll man sich in der Berner Basilica aber nicht wie in einem Supermarkt fühlen. Wo nötig sind die Bankreihen mit eleganten weissen Seilen abgesperrt und die Gehrichtungen dezent signalisiert. Fröhlich-farbige Plakate begrüssen die Menschen, die an der Messe teilnehmen: «Schön, sind Sie hier!»

 


Mit Respekt und Sorgfalt

Keine News sind gute News: Dies sagt Edith Rey, als Regionalverantwortliche des Bistums Basel auch für den Kanton Bern zuständig. «Die Massnahmen des Bundes werden offenbar mit Respekt und Sorgfalt umgesetzt. Die Verantwortlichen nehmen die Gesundheit aller Beteiligten ernst.» Davon hat sie sich persönlich ein Bild gemacht: Sie hat den Pfingstgottesdienst in Biel besucht.

 

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