Papst Franziskus beim Weihnachtsempfang 2014 der Kurie im Vatikan: eine Kapuzinerpredigt gegen Geschwätzigkeit und spirituellen Alzheimer. Foto: KNA

Gibt es noch Kapuzinerpredigten?

Seit Schriftsteller Friedrich Schiller in «Wallenstein » einen Kapuzinermönch mit einer scharfen Strafpredigt zu Wort kommen liess, kennt man den Begriff Kapuzinerpredigt. Papst Franziskus hat an Weihnachten eine solche «Kapuzinade» gehalten.
«Wie manche decken ihren Lebenswandel durch Scheinheiligkeit? Sie sind die Ersten und Letzten bei dem Gebete und in den Kirchen; in ihren Wohnungen aber herrschen Sünde und Verbrechen!» Mit volkstümlichen Predigten machte sich um 1700 der deutsche Augustiner- Barfüsser Abraham a Santa Clara einen Namen. Seine mit Witzen gespickten Predigten boten Friedrich Schiller die Vorlage für einen Kapuziner in «Wallensteins Lager»: Dort trifft der Mönch am Sonntag die Menschen trinkend und tanzend an, was ihn zu einer Strafpredigt veranlasst. «Heisa, juchheia! Dudeldumdei! Das geht ja hoch her. Bin auch dabei!» Und er kritisiert heftig die Infragestellung der Funktion des Sonntags. Für Zurechtweisungen dieser Art waren die Kapuziner in der Gegenreformation bekannt. Ihre Nähe zum einfachen Volk und den Armen liess sie eine einfache, derbe und doch wortgewaltige Sprache finden, um den falschen Lebenswandel zu tadeln. Seither sind Kapuzinaden hierzulande ein fester Begriff. Die Kapuziner bilden einen der grossen Zweige des ersten Ordens des Franziskus. So überrascht es nicht, dass der erste Papst, der den Namen des Heiligen aus Assisi angenommen hat, vor wenigen Wochen ebenfalls zu einer Kapuzinerpredigt ansetzte. Beim Weihnachtsempfang der leitenden Mitarbeiter des Vatikans überraschte der Chef sein Kader mit einer Strafpredigt. Er warnte die Kurie vor 15 Krankheiten wie: Sich unsterblich, immun oder unersetzbar fühlen. – Unkoordiniert arbeiten wie ein Orchester, das lärmt. – Spiritueller Alzheimer. – Rivalität und Überheblichkeit. – Terror des Geschwätzes. – Vorgesetzte vergöttern. – Gleichgültigkeit anderen gegenüber. – Eine Trauermiene aufsetzen. – Nach weltlichen Profiten streben ... Was Franziskus anprangerte, ist allerdings keine Eigenheit der Kurie – seine Kapuzinerpredigt hat Bedeutung weit über den Vatikan hinaus.

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