Georges Schwickerath plädiert dafür, Kirche neu zu denken. Foto: Ruben Sprich

«Ich musste Seelsorge neu entdecken»

Georges Schwickerath, Bischofsvikar für die Bistumsregion St. Verena, im Gespräch.

Es brauche mehr Bereitschaft, Kirche neu zu denken, sagt Georges Schwickerath. Seit gut einem Jahr ist er Bischofsvikar für die Bistumsregion St. Verena.

Interview: Sylvia Stam

«pfarrblatt»: «Du wirst der Erste und der Letzte sein, der morgens und abends arbeitet», sagte Bischof Felix Gmür bei Ihrer Einsetzung. Ist diese Prophezeiung eingetroffen?

Georges Schwickerath: Teilweise schon. Wenn es brennt, dann muss man präsent sein und tun, was das Amt von einem verlangt. Wenn zum Beispiel über Nacht ein Priester ausfällt, und alle Sonntagsgottesdienste sind schon geplant. Es gibt aber auch ruhigere Zeiten, etwa während der Sommerferien.

Würden Sie immer noch Ja sagen zu diesem Amt?

(Überlegt einen Moment) Ja, aber nicht mehr so schnell. Ich würde mich besser vorbereiten, indem ich vor Amtsantritt einen Kurs in Konfliktmanagement oder Organisationsberatung absolvieren würde. Wenn man schon im Amt ist, sind längere Unterbrüche schwieriger zu organisieren.

Sie haben jetzt vor allem Management-Aufgaben und waren vorher Seelsorger. Fehlt Ihnen die Nähe zur Basis?

Ich musste lernen, Seelsorge neu zu definieren. Wenn ich dazu beitragen kann, dass ein Konflikt in einem Pfarreiteam gelöst wird, oder wenn ich Leitungspersonen zuhöre, die Anliegen oder Fragen haben, ist das auch Seelsorge. Aber ich gebe zu, dass ich das neu entdecken musste.

Aufgrund Ihrer Funktion haben Sie viel mit Laiengremien zu tun. Wie erleben Sie diese Zusammenarbeit?

Mit dem Landeskirchenparlament, dem Landeskirchenrat und den Kirchgemeinden haben wir sehr gute Kontakte auf Augenhöhe. Wir betrachten manche Dinge aus verschiedenen Perspektiven, aber das geschieht in einem guten Dialog, nicht in Kampfstimmung.

Wie reagieren Sie vor dieser positiven Erfahrung auf die Instruktion aus der Kleruskongregation, die Laien Leitungsfunktionen in Pfarreien abspricht?

Bischof Felix Gmür hat sich ja klar dazu geäussert. Darum ist auch für mich klar: Der Kurs bleibt, wie er ist. Was aus Rom kam, kann ich einordnen. Der Vatikan hat den Blick auf die Weltkirche.

Wie sieht die Bistumsregion St. Verena in zwanzig Jahren aus?

Diese Frage erfüllt mich mit Sorge, weil die Zahl der Mitarbeitenden kleiner wird, die Aufgaben aber eher zunehmen. Ich wünschte mir, dass es uns gelingt, eine neue Dynamik in die Kirche hineinzubringen. Dass die Menschen sich bewusstwerden, dass wir flexibler werden und umdenken müssen. Pastoralräume sind ein Schritt in die Zukunft. Sie stossen nicht überall auf Gegenliebe. An manchen Orten funktioniert es, an anderen harzt es noch.

Weil man noch zu sehr an der eigenen Pfarrei festhält?

Ja, da bräuchte es Flexibilität, Durchlässigkeit und die Bereitschaft, Kirche neu zu denken. Das gilt auch in anderen Bereichen: Vielleicht haben wir in 20 Jahren das Diakonat der Frau oder das Ende der Zölibatspflicht, wir wissen es nicht. Aber man sollte die Offenheit in sich tragen, dass Kirche sich verändern muss. Dieses Bewusstsein müssen wir fördern. Wir können nicht so weiterfahren wie bisher.

Was haben Sie in Ihrer Funktion für Möglichkeiten, ein solches Bewusstsein zu fördern?

Ich kann nur werbend unterwegs sein. Wir müssen die Zukunft jetzt, wo es uns finanziell noch gut geht, gestalten.

Wie sieht diese Gestaltung konkret aus?

Wenn ich das wüsste (lacht)! Die Kirche muss Antworten geben können, die für die Menschen lebbar sind. Ich denke zum Beispiel an verschiedene Beziehungsformen, den Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten. Wir können der guten alten Zeit nachtrauern, oder wir können uns der Realität stellen und nach Antworten suchen. Letztlich müssen wir die lebensbejahende Botschaft Jesu so übersetzen, dass die Leute merken: Sie bereichert mein Leben.

 


Bischofsvikar und Regionalverantwortliche

Für die Bistumsregion St. Verena (Bern, Jura, Solothurn) sind die Regionalverantwortliche Edith Rey Kühntopf und die Bischofsvikare Georges Schwickerath und Jean Jacques Theurillat (Jura pastoral) zuständig. Das Bistum Basel setzte als erstes Bistum weltweit Frauen auch in den Bischofsvikariaten in Leitungsfunktionen ein; andere folgten, die Bistumsregion Deutschfreiburg etwa hat eine «bischöfliche Delegierte». 
Bischofsvikar und Regionalverantwortliche haben dieselben Kompetenzen: Sie vertreten den Bischof innerhalb der Bistumsregion bei Stellenbesetzungen in Kirchgemeinden und Pastoralräumen. Sie sind die Ansprechpersonen für das Landeskirchenparlament (früher Synode) und den Landeskirchenrat, die Fachstellenleiter*innen der Spezialseelsorge, Caritas und die Missionen. Sie erfüllen Repräsentationsaufgaben in Vertretung des Bischofs. Als solcher ist er explizit als Firmspender beauftragt. Bischofsvikar ist immer ein Priester, er spendet darum auch die weiteren Sakramente, beispielsweise Eucharistie, Trauung, Busse oder Krankensalbung.

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