Richtig angekommen fühlen sich die weitergereisten Karin und Serge Agbodjan-Prince in ihrer aktuellen Gemeinde noch nicht. Fotos: Pia Neuenschwander

In Afrika wäre das unhöflich

Binationale Paare in der Schweiz - Karin und Serge Agbodjan-Prince

Karin und Serge Agbodjan-Prince räumten ihrer Beziehung zu Beginn wenig Chancen ein. Nun sind der Human- und Sozialwissenschaftler aus Togo und die Ergotherapeutin aus Österreich seit 20 Jahren ein Paar und leben seit einem halben Jahr in der Region Bern. Sie plädieren für eine weltoffene Kirche.


Autorin: Hannah Einhaus | Fotos: Pia Neuenschwander

Er sieht sie in einem Wiener Park und will mit ihr einfach plaudern. Sie fragt sich – und ihn – was genau er von ihr wolle. Trotz ihres Misstrauens entsteht ein zweistündiges Gespräch über Gott und die Welt. Ihr Unbehagen fusst auf seiner Hautfarbe: Er ist schwarz, ein Afrikaner. Nach diesen zwei Stunden weiss sie, dass er weder «Asylant» noch Strassenverkäufer ist, sondern Philosophie und Soziologie studiert, irgendwo in einer Wiener Disco als Garderobier wirkt und regelmässig in die katholische Kirche geht.

Wir schreiben das Jahr 1998. Das erste Eis ist gebrochen, doch beide sind jahrelang überzeugt, dass eine feste Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Schwarz–weiss, das passt nicht. Heute, 20 Jahre später, leben Karin (41) und Serge Agbodjan-Prince (50) mit ihren Kindern Olivier (15), Maryse (13) und Mireille (6) in Muri bei Bern. Hinter sich haben sie Stationen in Wien, den Kantonen Zug (Unterägeri) und Thurgau (Arbon) sowie viereinhalb Jahre in Benin, nicht weit von seiner Familie, im Dienst der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.

 

Berufliche Chancen in der Schweiz

Serge Agbodjan-Prince wächst in Lomé (Togo) als Ältester von 5 Buben auf. Bereits im Gymnasium gefällt ihm die Sprache der ehemaligen deutschen Kolonialmacht, und so entscheidet er sich für Wien als Studienort. Lange steht für ihn der Priesterberuf im Vordergrund. Seine Eltern hatten sich früh getrennt, einer Ehe traut er nicht. Was unter zwei Afrikanern nicht geklappt hat, ist mit einer Weissen erst recht unmöglich, lautet seine Überzeugung. «Bei Karin wurde mir jedoch nach einigen Jahren bewusst, dass ich eine Bindung mit einem Menschen eingehen will, nicht mit einer Mission für ein Volk.»

Karin Breit ist in einem kleinen Dorf ausserhalb Wiens aufgewachsen. Bei der ersten Begegnung mit Serge ist sie 21 Jahre jung und in der Ausbildung zur Ergotherapeutin. «Ohne Berufserfahrung verlief meine Stellensuche in Österreich erfolglos, fündig wurde ich in der Schweiz, im zugerischen Unterägeri», erzählt sie. Als Serge sie dort im Jahr 2000 besucht, hat er sein Studium abgeschlossen, ein Praktikum in der Uno in Wien absolviert und träumt von einem Leben in Kanada. Auf der Strasse begegnet er einer Gruppe von Schülern, die ihn mit einem anständigen, hundsnormalen «Grüezi» beachten. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Anstarren und kein Umdrehen wie in Österreich. «Ich konnte es erst nicht fassen.» Schweiz statt Kanada?

Serge beginnt sich zu bewerben, und siehe da: «Hier wimmelten die Arbeitgeber mich nicht gleich ab, sondern fragten mich nach Fachgebiet und Erfahrungen.» Im Jahr 2001 heiraten Serge und Karin. Zwei Jahre danach kommt Olivier zur Welt, weitere zwei Jahre später folgt Maryse.

Ostereiersuche in Afrika

Die Verankerung im christlichen Glauben und in der katholischen Kirche gibt beiden von Anfang an einen gemeinsamen Boden und hilft, die kulturellen Unterschiede zwischen dem Togo und Österreich zu überwinden. Dennoch stellen sich elementare Fragen wie: Geht Haus- und Erziehungsarbeit Männer etwas an, und sollen Mütter erwerbstätig sein? In Österreich und der Schweiz passt sich Serge den hiesigen Gepflogenheiten an, das beginnt mit Kleinigkeiten wie direktem Blickkontakt bei einem Gespräch mit einer älteren Person oder Vorgesetzten.

«In Afrika wäre das äusserst unhöflich», schildert er. Einen grossen Kulissenwechsel bedeutet für Karin im Jahr 2011 der Umzug nach Benin. Über vier Jahre lebt die Familie dort, wo auch Nesthäkchen Mireille zur Welt kommt. Die Kinder sprechen nun Französisch und Deutsch. An die langen Gottesdienste, insbesondere an Ostern und Weihnachten, erinnert sich Karin besonders. «Die Zusammenkunft in der Kirche steht dort im Vordergrund. Das ganze Rundherum mit Geschenken ist dort im Hintergrund.» Die Tradition der Ostereiersuche pflegt Karin auch in Afrika weiter.

Erwartungen an eine globale Kirche

Die Familie kehrt 2015 zurück in die Schweiz, nun nach Bern, wo er im Bildungszentrum Pflege Verantwortung für soziokulturelle Bildung übernimmt und sie eine Stelle in der Gümliger Klinik Siloah antritt. Richtig angekommen fühlen sich Karin und Serge in der aktuellen Gemeinde Bruder Klaus in Bern noch nicht. Ob es an der Berner Mentalität oder am Stadt-Land-Graben liegt, ist für das weitgereiste Paar derzeit noch eine offene Frage. Serge Agbodjan-Prince engagiert sich bei der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Schweizerischen Bischofskonferenz. Dass es eine ganze Reihe unterschiedlicher Messen gibt, reicht ihm nicht. «Vielmehr sollte sich jeder und jede aus der ganzen Welt in der Kirche willkommen und zu Hause fühlen.»

 

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