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«in schonender Liebe zu allem was lebt»

Gedanken aus der Spitalseelsorge. Eine Kolumne der Seelsorger*innen am Inselspital Bern.

Von Ingrid Zürcher.

 

In den Tagen der Entstehung dieser Zeilen stöbere ich in den Büchern von Kurt Marti, die in meinem Gestell stehen. Sein 100. Geburtstag veranlasst viele, ihn aufleben zu lassen und die Erinnerung an ihn anzureichern im Austausch miteinander und sich Beiträge in und Impulse von ihm wieder zu vergegenwärtigen. Das belebt mich.

Diese Zeilen werden in der «pfarrblatt»-Nummer zum Valentinstag zu lesen sein, dem Tag von «herzwärts», den Segensfeiern für mancherlei Liebende. Herzwärts ist es mir auch gegangen, als ich anlässlich dieses Jubiläums noch ausführlicher realisierte, welch grosses Glück Kurt und Hanni Marti in ihrer jahrzehntelangen Beziehung miteinander hatten, weil ich mich von Herzen daran freute und es einfach schön ist.

Für mich auch heute wichtig ist, dass Kurt Marti wesentliche Fragen stellt. Als Beispiel zitiere ich die dritte und siebte Strophe des Gedichtes «friedensfragen»:

wie kann es frieden geben
für die völker der welt
solange wir vorherrschaft dulden
sei es von internationalen konzernen
sei es von ethnischen majoritäten?

wie kann es frieden geben
für die völker der welt
solange wir gottes absicht durchKREUZen
alltäglich zu sein unter uns und schön
in schonender liebe zu allem was lebt?

Bereits in diesem kleinen Auszug des Gedichtes treten Analyse und Intention hervor. Das Belebende finde ich in der Intention, der Ausrichtung: wohin ist der Blick gerichtet? Was halte ich vor Augen? Gottes Absicht, nicht nur sonntäglich, sondern alltäglich unter uns zu sein und das in einem uns insgesamt wohltuenden Miteinander.

Dazu mag ich noch dieses Gedicht setzen, das diese «schonende Liebe» weiter umspielt:

«schön – was ist schön?

schonen ist schön
   menschen schonen
   tiere schonen
   pflanzen schonen
   die vielfalt schonen
   die schöpfung schonen
 wer schont
macht schön
   schön wird
   wer schont

In seinen Fragen fordert Kurt Marti mich und uns heraus. Ich erlebe sie als Begegnung. Zu begegnen und dabei manchmal auch widerständig zu sein, gehört auch zum seelsorglichen Repertoire. In all dem, was wir inzwischen im Gesundheitswesen als care bezeichnen, ist etwas von dem «schonen» enthalten. Und den Blick aufs Ganze zu üben mit «gott gerneklein»* gern alltäglich unter uns, inspiriert mich.

Ingrid Zürcher, ref. Seelsorgerin


*«gott gerneklein»: Gottesname, Kreation von Kurt Marti und Titel der Gedichtsammlung, aus der die Texte zitiert sind (1995, S. 52, 43)

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